Vesta-Tempel in Rom, vom französischen Privatgelehrten Joseph-Philibert Girault de Prangey im Panoramaformat 1842 fotografiert (9,4 x 24 cm). Schätzwert: 73.000 bis 120.000 Euro.

Foto: Katalog

Am 20. Mai gelangen bei Christie's London 86 künstlerisch hochwertige Daguerrotypien, also älteste Zeugnisse der Fotografie, zur Auktion: die frühesten erhaltenen, von Joseph-Philibert Girault de Prangey aufgenommenen Bilder Griechenlands und des Mittleren Ostens.


London - Mit den Worten "Rekord" und "Sensation" sind die Kunstmarkt-PR-Strategen schnell bei der Hand, es herrscht nachgerade Inflation. Bei den am 20. Mai bei Christie's London angebotenen 86 Daguerrotypien, also Bildern aus dem ersten Jahrzehnt des Mediums Fotografie, ist das nun wirklich der Fall. Handelt es sich doch um die frühesten Fotos, die von Griechenland und dem Mittleren Osten gemacht wurden - die frühesten bis heute erhaltenen.

Sie stammen alle aus der Hand des französischen Privatgelehrten Joseph-Philibert Girault de Prangey (1804-1892), der zwischen den Jahren 1841 und 1844 ausgedehnte Reisen nach Italien, Griechenland, Palästina, Ägypten und Syrien unternahm. Der an einer Kunstakademie ausgebildete Maler und auf islamische Architektur spezialisierte Adelige lichtete, ganz im Sinne des damaligen Orientfiebers, Landschaft und Flora sowie größtenteils antike Bauwerke ab.

Das taten Neo-Fotografen zur gleichen Zeit, nur sind de Prangeys Aufnahmen die einzigen, die überlebten. Zudem weisen die Bilder auch hohe künstlerische Qualität auf: Das Motiv - etwa Bettler in Kairo - oder der Blick auf das Objekt, oft bildschöne Details, sind überraschend modern. De Prangey war ein Pionier der - damals äußerst ungewöhnlichen - Panoramafotografie. In einem Hochformat stellt er eine Pinie dar, in einem Querbild den palmengesäumten Nil.

Die Technik der Daguerrotypie war damals brandneu, sie war 1839 der französischen Akademie der Wissenschaften vorgestellt worden. 1841 bereits machte de Prangey die ersten Versuche in seiner Villa in Langres. Eine versilberte, wiederholt mit verdünnter Salpetersäure geätzte und polierte Kupferplatte bedämpfte man mit Jod und/oder Brom, um sie dadurch lichtempfindlich zu machen. Bei der Aufnahme wurde die Platte mithilfe einer Lochkamera belichtet. Beim Entwickeln setzte man die Platte Quecksilberdämpfen aus, das Quecksilber setzte sich an den belichteten Stellen ab.

Jede Daguerrotypie ist ein Unikat, das Motiv ist seitenverkehrt abgebildet. Probleme wegen Fälschung einer Auflagenzahl stellen sich daher nicht für den Sammler, ebenso wenig Probleme mit der Konservierung. "Sie halten sicher noch 500 Jahre", ist sich Wiens bester Fotogalerist, Johannes Faber, sicher. "Daguerrotypien sind versiegelt, mit Glas geschützt. Im Fall, dass sie einmal geöffnet wurden, müssen sie professionell gereinigt werden. Sonst sollte man sie wie Papierarbeiten behandeln: hinter entspiegeltes UV-Schutzglas geben und nicht direktem Sonnenlicht aussetzen".

Die Schätzpreise der Arbeiten liegen zwischen 1000 und 150.000 Pfund. Preise, die sich laut Faber sicher nach oben bewegen werden. "Man sieht, hier war ein gescheiter Gelehrter und ausgebildeter Künstler am Werk. Das honorieren die Sammler". De Prangey muss nach heutigen Maßstäben ein ziemlicher Freak und Fanatiker gewesen sein, in seiner zweiten Lebenshälfte studierte er Pflanzen, die er rund um seine Villa im Garten und in Gewächshäusern aufzog. Der Junggeselle hinterließ keine Erben, die Villa verkam, und erst in den 50ern des 20. Jahrhunderts entdeckte der neue Besitzer die Fotoplatten, insgesamt rund 1000 Stück. Wenige berühmte Fotosammler, wie etwa André Jammes, besitzen wenige Stücke.

Nun kommt ein kleiner Teil zur Auktion. Es genüge nicht, sagt Faber, dass etwas hohe Qualität besitzt und es nur wenige kennen: "Es muss über den Markt funktionieren." Dass er es tun kann, bewies bereits 2000 der Verkauf von französischen Ansichten de Prangeys. (DER STANDARD, Printausgabe, 8.5.2003)