Wien - Der mit dem Fall Jeremiasz B. betraute Staatsanwalt Walter Geyer erfuhr am Weg zum Flughafen Wien-Schwechat vom Selbstmord des mutmaßlichen Mafia-Paten.

Er hätte am Mittwoch in Warschau im Zusammenhang mit der Ermordung des früheren polnischen Sportministers Jacek Debski, den Jeremiasz B. in Auftrag gegeben haben soll, kontradiktorische Einvernahmen mit zwei polnischen Zeugen durchführen sollen, als ihn die Journalstaatsanwältin auf seinem Mobiltelefon erreichte.

"Er war ein Grenzgänger"

"Ungeheuerlich und unglaublich zugleich", gab Geyer im Gespräch mit der APA seine ersten Emotionen wieder. Der Suizid kam für den Staatsanwalt jedoch nicht völlig überraschend: Jeremiasz B. habe in Telefongesprächen, die er verbotenerweise aus seiner Zelle führte und die zuletzt von der Justiz abgehört wurden, dies als letzte Möglichkeit anklingen lassen, so Geyer: "Er war ein Grenzgänger. Er hat gesehen, wie das Verfahren gegen ihn läuft, er war ja ein hochintelligenter Mann. Die Sache mit den bestellten Entlastungszeugen ist in die Binsen gegangen. Ein Freispruch war für ihn immer mehr unrealistisch. Er stand mit dem Rücken zur Wand."

Formell wird die Staatsanwaltschaft noch heute das Verfahren wegen Tod des Angeklagten einstellen. Staatsanwältin Susanne Waidecker, die im Zusammenhang mit dem ersten Selbstmordversuch des mutmaßlichen Paten bereits gegen unbekannte Täter ermittelt - Jeremiasz B. hatte nach der Einnahme eines Putzmittels behauptet, dies hätten ihm Beamte der Kriminalabteilung Niederösterreich verabreicht -, wurde unterdessen auch mit den routinemäßigen Erhebungen zum nunmehrigen Freitod betraut.

Richterin erfuhr Selbstmord von einem Aktenträger

Richterin Michaela Röggla-Weiss, die den Prozess gegen Jeremiasz B. geleitet hatte, erfuhr von dessen Selbstmord von einem Aktenträger im Präsidium des Landesgerichts. Gerichtspräsident Günter Woratsch hatte sie zu sich bestellt, um ihr die Neuigkeit mitzuteilen, der Aktenträger kam ihm aber offenbar zuvor. "Ich war schockiert. Mir haben richtig die Knie gezittert", erklärte Röggla-Weiss auf Anfrage der APA. Der Prozess hätte am 19. Mai fortgesetzt und Ende des Monats abgeschlossen werden sollen.

Für Staatsanwalt Geyer ist das letzte Kapitel im Fall Jeremiasz B. "nicht wirklich befriedigend" verlaufen, wie er betonte: Nach den intensiven, länderübergreifenden Ermittlungen hätte er sich ein rechtskräftiges Urteil in dem spektakulären Mafia-Prozess gewünscht. (APA)