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Ed Moschitz: "Natürlich hätte ich mir mehr Zuwendung aus dem sechsten Stock (Etage der Geschäftsführung, Anm.) gewünscht, aber ich muss auch zur Kenntnis nehmen, dass man im sechsten Stock oftmals andere Interessen zu beachten hat, als wir im zweiten Stock, die wir journalistisch arbeiten."

Foto: APA/Jäger

ORF-Reporter Eduard Moschitz hält das jüngste OGH-Urteil zur einer "Am Schauplatz"-Reportage und zum Thema Pressefreiheit für ein "wichtiges Signal" für alle österreichischen Journalisten. Es gehe in der Causa um den Schutz von Informanten, sagte Moschitz im Interview mit der APA – Austria Presse Agentur. Dass der ORF ein Band über Dreharbeiten bei einer FPÖ-Veranstaltung, wie von der Wiener Neustädter Staatsanwaltschaft behauptet, freiwillig herausgegeben habe, bestreitet der ORF-Journalist. Nachfolgend das Interview mit Moschitz im Wortlaut. Die Fragen stellten Philipp Wilhelmer und Johannes Bruckenberger.

Der Oberste Gerichtshof hat am Donnerstag ein richtungsweisendes Urteil in Sachen Pressefreiheit gefällt und dem ORF darin bestärkt, das Drehmaterial ihrer "Schauplatz"-Reportage über jugendliche Skinheads am rechten Rand nicht herauszugeben. Erleichtert?

Moschitz: Ich glaube, dass das Urteil ein wichtiges Signal für alle Journalisten ist. Und es erleichtert unsere Situation, weil wir das Drehmaterial nicht rausgeben müssen. Das Urteil zeigt uns allen, dass wir auch wirklich die Möglichkeit haben, unsere Informanten zu schützen.

Die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt hat den Ruf, keine gewöhnliche Staatsanwaltschaft zu sein, wenn man etwa den laufenden Tierschützerprozess oder Ihren Fall betrachtet. In Justizkreisen trägt die für ihre unorthodoxe Herangehensweise bekannte Wiener Neustädter Behörde angeblich den Spitznamen "Südfront". Nun hat man postwendend angekündigt, weiter gegen Sie zu ermitteln ...

Moschitz: Das nehme ich zur Kenntnis, ich kann mich ja nicht dagegen wehren. Die Staatsanwaltschaft hat seit neun Monaten eine Meinung über mich und meine Arbeit, die ich nicht nachvollziehen kann. Dabei wurde ich bisher weder von der Polizei noch von der Staatsanwaltschaft oder einem Gericht einvernommen.

Die Staatsanwaltschaft argumentiert, Sie hätten die Kassette vom Dreh in Wiener Neustadt, auf der die Begegnung der beiden Skinheads mit FPÖ-Chef Heinz Christian Strache zu sehen ist, freiwillig herausgegeben.

Moschitz: Von Freiwilligkeit kann überhaupt keine Rede sein. Wir haben gesagt: Ihr könnt uns einsperren, wir geben das Band sicher nicht her. Allerdings hat die ORF-Führung eingelenkt und gemeint, wir müssen das Band hergeben. Uns ist mitgeteilt worden, dass es keine Möglichkeit gibt, uns dagegen zu wehren. Wir haben uns ja auch an Gesetze zu halten. Freiwillig war das nicht.

Einen Tag nach dem Dreh hat die Polizei das Originalband sichergestellt. Kurz danach erhob die FPÖ den Vorwurf, das Tape sei manipuliert worden, um einen angeblichen Nazi-Sager zu entfernen.

Moschitz: Strache hat sofort behauptet, das Band sei manipuliert. Hätten wir das restliche Material herausgegeben, hätte er von 15 Kassetten behauptet, sie seien manipuliert. Fakt ist: Das Band wurde mittlerweile fast zu Tode untersucht, das Gericht hat an die 20.000 Euro für Gutachten ausgegeben und nichts gefunden. Es wäre auch unrealistisch: Man kann nicht über Nacht vier Tonspuren manipulieren. Wenn etwa ein Geräusch auftaucht, nehmen vier Mikrofone das völlig unterschiedlich mit einer völlig unterschiedlichen Klangcharakteristik auf. Um das zu vertuschen, hätten wir binnen kürzester Zeit vier Mikrofone nachbauen müssen. Die Burschen waren außerdem verkabelt. Der Vorwurf ist geradezu absurd.

Für Aufsehen sorgte auch ein Bescheid des Oberlandesgerichtes Wien, der Ihnen sinngemäß unterstellte, sie hätten die Absicht gehabt, unter dem Vorwand eines Reportagedrehs NS-Propagandamaterial herzustellen. Wie gehen Sie als preisgekrönter Journalist damit um?

Moschitz: Ich habe 100 Reportagen gemacht, die waren sozial auch immer sehr engagiert. Wenn wir versuchen, einem rechtsextremen Milieu näher zu kommen, haben wir ja kein Interesse, dessen Gedankengut weiterzutragen, sondern wir beleuchten die Voraussetzungen und Gründe, warum junge Menschen sich mit so etwas identifizieren.

Wie sind sie auf die beiden Skinheads eigentlich gekommen?

Moschitz: Ich habe eine Reportage über Kampfhunde gedreht, dabei den Protagonisten Philipp kennengelernt und festgestellt: Der schimpft auf Ausländer und hat in seinem Zimmer ein Hakenkreuz hängen. Das war in der "Schauplatz"-Folge zu dem Thema auch zu sehen. Das Interessante: Damals hat sich der Verfassungsschutz offenbar nicht für den Burschen interessiert, der ganz offen ein Hakenkreuz im Zimmer hängen hatte.

Das heißt, mit den Ermittlungen gegen einen bekennenden Rechtsradikalen wurde erst begonnen, als FPÖ-Chef Strache Sie der Manipulation und Wiederbetätigung bezichtigt hat?

Moschitz: Das ist vorher in keiner Form mit irgendeiner Vehemenz verfolgt worden. Außerdem: Hätte Herr Strache eine Gelegenheit gesucht, die Burschen von seiner Veranstaltung zu verweisen, hätte er am 4. Juni am Viktor-Adler-Markt Gelegenheit gehabt. Und danach in Wiener Neustadt. Stattdessen hat er einen ORF-Journalisten bezichtigt, junge Menschen zur Wiederbetätigung angestiftet zu haben.

In den vergangenen Monaten lastete von vielen Seiten großer Druck auf Ihnen. Haben Sie jemals daran gedacht, aufzuhören und etwas anderes zu machen?

Moschitz: Ich habe bis jetzt noch nicht daran gedacht aufzuhören. Das hätte bedeutet, ich werfe das Handtuch und gebe auf. So etwas muss man bis zur letzten Konsequenz durchfechten. Das ist auch der Grund, warum ich dieses Interview gebe.

Haben sie sich vom ORF immer hundertprozentig unterstützt gefühlt?

Moschitz: Natürlich hätte ich mir mehr Zuwendung aus dem sechsten Stock (Etage der Geschäftsführung, Anm.) gewünscht, aber ich muss auch zur Kenntnis nehmen, dass man im sechsten Stock oftmals andere Interessen zu beachten hat, als wir im zweiten Stock, die wir journalistisch arbeiten.

Politische Interventionen sind ja gerade dem ORF nicht fremd. Besonders im Fernsehen versuchen politische Parteien gern, Einfluss auf die Berichterstattung auszuüben.

Moschitz: In meinem Bereich stellt sich das so dar: Wenn man eine Sozial-Reportage über den Gemeindebau macht, muss man damit rechnen, dass die SPÖ anruft. Wenn man eine Geschichte über Jäger macht, ist wahrscheinlich die ÖVP beleidigt. Bei einer Reportage über Neonazis muss man offenbar davon ausgehen, dass die FPÖ querschießt. Jede Partei hat ihre Interessengruppen, die sie vertritt und entsprechend wird auch versucht, auf uns Druck auszuüben. Bis jetzt haben wir das sehr gut durchgefochten. Ich hoffe, dass das so bleibt.

Glauben Sie, dass Journalisten in Österreich mehr Schutz brauchen?

Moschitz: Auf jeden Fall. Wir haben ja das Problem, dass wir vor Politikern stehen, die ihrerseits immun sind. Das Redaktionsgeheimnis ist zwar absolut, wie wir auch vom OGH gehört haben, aber das ist in Wahrheit auch schon das einzige, was uns schützt. Wir haben nicht mehr. Wir sollten uns wohl alle überlegen, wie man den Schutz von Journalisten ausweiten kann. Wir müssen mit demokratischen Mitteln arbeiten, gehen nicht mit versteckten Aufnahmegeräten auf die Politiker zu, sondern deklarieren uns. Journalisten müssen fair bleiben. Ob die andere Seite das immer einhält, scheint mir nicht sicher zu sein.

Was bezweckt die FPÖ mit ihrer Kampagne gegen Sie, Ihrer Meinung nach?

Moschitz: Das Problem ist glaube ich, dass es dem Herrn Strache in der öffentlichen Wahrnehmung nicht gefällt, dass Neonazis auf seinen Veranstaltungen sind. Er hat ja bisher immer ganz gut davon abgelenkt. Ich behaupte, dass sehr oft Neonazis auf seinen Veranstaltungen waren.

Warum ist es für sie als Journalist wichtig, junge Leute zu schützen, die sich ja eindeutig zu einschlägigem Gedankengut bekennen?

Moschitz: Sie brauchen in einer TV-Reportage zwei Dinge, um mit Leuten auf Augenhöhe reden zu können: Sie brauchen Akzeptanz und Vertrauen. Ich habe den Burschen erklärt, dass wir nicht daran interessiert sind, Wiederbetätigungsdelikte aufzuklären. Die Polizei muss ihre Ermittlungen selbst führen und es kann nicht sein, dass unsere Kamera, die überall mitläuft, plötzlich zu einer Polizeikamera mutiert, weil unsere Bänder beschlagnahmt werden. Oder aber meine Mitschriften in einen Ermittlungsakt wandern. Man hat als Journalist gerade bei jungen Leuten auch die Verpflichtung, den Informantenschutz zu wahren. Jemanden, der mir nichts mitteilt, um den brauche ich mich als Journalist auch nicht zu kümmern. Aber ich trage Mitverantwortung für Menschen, die bereitwillig erzählen und die man dabei auch vor sich selbst schützen muss. Gerade bei jungen Erwachsenen ist das besonders wichtig, finde ich.

Wie wichtig ist Nähe zum Objekt der Berichterstattung im Fall einer monatelang aufbereiteten Reportage?

Moschitz: Nähe braucht man auf jeden Fall, weil man ja mit seinen Protagonisten in Beziehung treten muss, um einen Blick von innen zu bekommen. Diese Beziehung stellt man als Reportagemacher für den Film ja letztendlich zur Verfügung. Das bedeutet aber keineswegs, dass man – wie mir vorgeworfen wurde – dies dazu nutzt, um junge Menschen zu etwas anzustiften. Daran hindern uns letztlich auch unsere ethischen Kriterien als Journalisten. Das würde mir auch persönlich widerstreben: Ich bin einerseits Familienvater, andererseits Demokrat und nicht zuletzt bin ich ein Journalist, der ein Gewissen hat. So etwas tut man nicht mit jungen Menschen.

Ein Thema, das für viele neu war, ist die Praxis der Aufwandsentschädigungen bei längeren Reportagedrehs. Wozu dient das Geld?

Moschitz: Normalerweise zahlen wir Menschen, die in unseren Sendungen vorkommen, überhaupt nichts. Es gibt aber Ausnahmefälle, bei denen Info-Honorare bezahlt werden oder entstandener Aufwand entschädigt wird.

In der Öffentlichkeit ist Ihnen das als Journalist ziemlich auf den Kopf gefallen – als nämlich die beiden Burschen behaupteten, Sie hätten für die Burschen einschlägige Artikel wie Fahnen in einem Armyshop gekauft.

Moschitz: Es gab zweimal einen Vorschuss auf die normale Aufwandsentschädigung. Einmal als Philipp für den Dreh einen Rasierer für die Kopfrasur gebraucht hat. Bei der zweiten Gelegenheit waren wir in einem Armyshop und der Bursche wollte sich Gewand kaufen.

Ist die Praxis der Aufwandsentschädigungen bei Reportagen eigentlich noch aufrechtzuerhalten, nachdem das derart gegen die Journalisten verwendet werden kann?

Moschitz: Ich bin mir sogar ziemlich sicher, dass man das aufrechterhalten muss, wenn wir vorhaben, weiterhin Langzeitbeobachtungen und Milieustudien in dieser Form zu machen. Wenn man die Bereitschaft von Menschen braucht, dass man sie wochen-, monate- oder manchmal sogar jahrelang begleiten darf, dann braucht man als Reportagemacher ein Instrumentarium, dass den Zugang zu einem Milieu öffnet und auch eine Verlässlichkeit gibt. Allerdings, und das ist eigentlich auch unstrittig: Man muss es dazu verwenden, dass die Leute einem ihre Zeit zur Verfügung stellen, nicht aber die Inhalte. Man darf mit dem Geld nicht beeinflussen, was sie sagen, sondern bekommt die Gelegenheit, verbindlich an einem bestimmten Tag drehen zu können. Wir haben beim "Schauplatz" im Nachhinein bei Sozialreportagen auch immer wieder Geld dagelassen, ohne dass die Protagonist das vorher gewusst haben, einfach weil wir es anständig fanden, ihnen eine Entschädigung für die aufgewendete Zeit zu geben.

Ziel der Kritik war auch, dass sie die beiden Burschen im ORF-Auto nach Wiener Neustadt mitgenommen haben, wo sie auf Strache getroffen sind.

Moschitz: Wir haben kürzlich auch den Wiener Bezirkspolitiker Hans Jörg Schimanek mit im Auto gehabt. Er ist mit uns an den Stadtrand von Wien gefahren, wo er uns ein Industriegelände gezeigt hat, das für ihn ein geeigneter Standort für eine Moschee wäre.

Wie stehen sie zu dem Vorwurf, dass sie mit der Kamerapräsenz und fix vereinbarten Drehterminen die Wirklichkeit als Journalist beeinflussen?

Moschitz: Dem kann ich nur die tagesaktuelle Berichterstattung entgegenhalten: Eine Pressekonferenz ist ja ein Pseudoereignis schlechthin, weil sie nur durch das Zutun eines Journalisten stattfindet. Niemandem würde einfallen, dass man über eine Pressekonferenz nicht berichten dürfe, weil es sich um ein Pseudoereignis handelt. Ich behaupte sogar, dass das was wir bei "Am Schauplatz" tun, authentischer ist, als vieles andere.

Wie hat sich die Begegnung in Wiener Neustadt aus Ihrer Sicht eigentlich abgespielt?

Moschitz: Wir waren nach zwei Stunden Dreh bei der FPÖ-Veranstaltung schon wieder am Weggehen, als ein Mitarbeiter der FPÖ – wie sich später herausgestellt hat, der Sicherheitschef – zu uns gekommen ist und gesagt hat: "Kommen Sie hinter die Absperrung, der Herr Strache ist da." Ich dachte, Strache wollte mit uns reden, weil man uns ja schon vorhin beim Dreh beobachtet hatte. Vor den Burschen ist die Absperrung wieder zugegangen und ich habe sie wieder aus den Augen verloren. Als ich in der Absperrung vor Strache stand habe ich ihn darauf angesprochen, warum wohl so viele Nazis auf seine Veranstaltungen gehen, woraufhin er wütend wurde und ich das Interview wieder abgebrochen habe. Plötzlich habe ich die Burschen am Gitter stehen gesehen und Strache hat sich genau in deren Richtung bewegt.

Was geschah dann aus Ihrer Sicht?

Moschitz: Ich wollte sehen, was passiert, wenn die beiden Burschen auf Strache persönlich treffen. Als er gekommen ist, waren sie allerdings stumm. Als ich ihnen gesagt habe, dass sie jetzt mit Strache persönlich reden könnten, erwiderten sie nur: "Was sollen wir mit ihm reden?" Sie haben sich darauf ein Autogramm geholt und stellten fest, dass sie ihn unsympathisch finden. In dem Moment hat sich Strache gemeldet und gemeint, dass er etwas gehört hat, das eindeutig neonazistisch ist, wobei er zunächst angab, er hätte "Heil Hitler" gehört. Bei der Polizei hat er dann auf "Sieg Heil" umgeschwenkt.

Hat einer der beiden Burschen während der Begegnung eine einschlägige Parole fallen lassen?

Moschitz: Die Kamera ist vier Minuten durchgelaufen, wir hatten vier Mikros, beide waren verkabelt. Nirgends ist etwas drauf. Der Gutachter hat auch nichts gefunden.

Haben Sie die beiden Burschen im Laufe der sonstigen Dreharbeiten zu irgendetwas angestiftet, wie das die Wiener Neutstädter Staatsanwaltschaft meint?

Moschitz: Selbstverständlich nicht. Das habe ich natürlich nicht gemacht. Außerdem kann man davon ausgehen, dass die Burschen genau wissen, was sie im Hinblick auf das NS-Verbotsgesetz straflos tun dürfen und was nicht.

An welcher Reportage arbeiten Sie derzeit?

Moschitz: An einer Geschichte über Kammerjäger. Daneben arbeite ich an einem Film- und Kinoprojekt über illegale Flüchtlinge in Österreich. Eine weitere Arbeit ist eine Geschichte über ein schwules Paar in einem niederösterreichischen Ort, das dort mit ziemlichen Problemen konfrontiert ist. (APA)