Bischkek/Moskau - Erst im dritten Anlauf hat die Regierungsbildung in Kirgistan geklappt. Die Koalition einigte sich am Freitag mit Achmatbek Keldibekow, Parteichef von Ata-Schurt, auf einen Parlamentspräsidenten. Am Streit um dieses Amt war Anfang Dezember nach nur drei Tagen die erste Koalition zerbrochen.
Damit konnte eine weitere Destabilisierung der noch fragilen Demokratie verhindert werden. Nach dem Verfassungsreferendum und der Parlamentswahl am 10. Oktober ist Kirgistan die erste parlamentarische Republik in Zentralasien.
Die Nachbarländer Kasachstan, Usbekistan, Turkmenistan und Tadschikistan, die von ihren Präsidenten autokratisch regiert werden, beäugen das demokratische Experiment in Kirgistan argwöhnisch. Aber auch China, Russland und die USA verfolgen genau, was in dem Fünf-Millionen-Einwohner-Land vor sich geht.
Laut der Washington Post haben die USA Kirgistan 3,25 Millionen US-Dollar (rund 2,4 Mio. Euro) für die Stärkung des parlamentarischen Systems gezahlt. Sowohl Amerikaner als auch Russen unterhalten in Kirgistan Militärbasen. Das Land ist zwar rohstoffarm, aber wegen seiner Nähe zu Afghanistan geopolitisch wichtig. Kirgistan ist nach Tadschikistan das ärmste zentralasiatische Land.
Unruhen, die im Sommer offiziell rund 400 Tote forderten, drohten die gesamte Region zu destabilisieren. Die Opposition stürzte Präsident Kurmanbek Bakijew. Dessen Nachfolgerin Rosa Otunbajewa macht ihn für die Ausschreitungen verantwortlich.
Die Koalition aus der Partei Ata-Schurt (Vaterland), die von Otunbajewa 2004 gegründet wurde, der Sozialdemokratischen Partei und der wirtschaftsfreundlichen Partei Respublika, hat im Parlament 77 von insgesamt 120 Stimmen. Der neue Parlamentspräsident Keldibekow erhielt die Stimmen von 101 der 119 anwesenden Abgeordneten. Sozialdemokraten-Chef Almasbek Atambajew wurde danach als Regierungschef vom Parlament ebenfalls bestätigt.
Trotz der Einigung auf Keldibekow bestehen innerhalb der Koalition Meinungsdifferenzen über den zukünftigen Weg des Landes. Während die Sozialdemokraten und Respublika den Demokratiekurs Otunbajewas unterstützen und sich für das parlamentarische System aussprechen, ist die nationalkonservative Partei Ata-Schurt für die Wiedereinführung des Präsidialsystems. (ved/DER STANDARD, Printausgabe, 18.12.2010)