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Von "normal teuer" zu "superteuer": Vor vier Jahren lag der Literpreis für bleifreies Benzin in der Türkei noch bei umgerechnet 1,26 Euro. Jetzt steht er bei zwei Euro.
Bei vier türkischen Lira hört für viele der Spaß auf. Auf umgerechnet zwei Euro ist der Liter Benzin an türkischen Tankstellen geklettert. Ein Krisentreffen von Energieminister Taner Yildiz mit dem Verband der Vertreibergesellschaften und der staatlichen Regulierungsbehörde in der vergangenen Woche hat nur geringen Eindruck auf den Markt gemacht: um zwei Kurusch, umgerechnet einen Euro-Cent, gab der Literpreis nach. Doch für die Türken ist in dem ohnehin hochpreisigen Benzinland eine symbolische Marke durchbrochen.
Dass die Türkei als wichtige Energiedrehscheibe für Öl und Gas aus Russland, dem Mittleren Osten und Asien gerühmt wird, aber gleichzeitig in der Region die höchsten Preise an den Tankstellen ausschildert, ist nur einer der vielen Widersprüche. "Von den vier Lira beträgt die Profitmarge für den Vertreiber und die gesamte Branche gerade einmal 38 Kurusch (19 Cent)", rechnet Fikret Öztürk vor, Präsident der türkischen Mineralölgesellschaft Opet: "Wir vergessen hier die Steuermarge. Der Staat hat nie die Steuern verringert."
Kompliziertes Gebilde
Tatsächlich ist der Benzinpreis in der Türkei ein kompliziertes Gebilde: Er setzt sich aus nicht weniger als 67 Prozent Steuern zusammen - 23,5 Prozent Produktionskosten und 9,5 Prozent Aufschlag durch die Vertreiber. Wie bei Alkohol, Tabak oder Telekomverbindungen langt der Staat beim Mineralöl ordentlich zu. "Sonderverbrauchssteuer" (ÖTV) heißt das. Sie ist mit Abstand Ankaras größte Einnahmequelle: Umgerechnet mehr als 16 Milliarden Euro fließen durch die ÖTV in diesem Jahr in den Staatshaushalt; 17,3 Milliarden Euro sind schon für 2011 eingeplant.
"Die Regierung ist nicht in der Lage, Einkommenssteuer einzuziehen. Das ist das Problem", sagte ein türkischer Energieexperte. "Weil die Leute hier keine Steuern zahlen wollen, holt sich der Staat das Geld über die ÖTV."
Druck auf Raffinerie
Energieminister Yildiz versicherte, er erwarte "in naher Zukunft" einen Preisrückgang auf umgerechnet 1,87 Euro für die "billigere" Benzinsorte. Die Regierung, die sich im beginnenden Wahlkampf keine Proteste von Autofahrern leisten will, übte bereits Druck auf Tüpras aus, das größte Raffinierieunternehmen des Landes, um eine Verringerung der Abgabepreise um zwei Prozent zu erreichen.
Zahlen müssen nun vor allem Besitzer von Limousinen und Sportwagen. Bei den Filialen von Petrol Ofisi (PO), der zweitgrößten Vertriebsgesellschaft der Türkei, liegt der Preis für Benzin mit 97 Oktan bei 1,92 Euro an Istanbuler Tankstellen und 1,99 im Südosten an der Grenze zu Syrien und den Energielieferländern Iran und Irak. PO gehört der OMV, die sich anschickt, für die Aufstockung ihrer Anteile auf fast 100 Prozent eine Mrd. Euro zu überweisen. (Markus Bernrath, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 20.12.2010)