Der Vorsitzende der größten türkischen Oppositionspartei hat den monatelangen internen Machtkampf zunächst für sich entscheiden können. Kemal Kiliçdaroglu setzte beim Sonderparteitag seiner Republikanischen Volkspartei CHP in Ankara am Wochenende die Mehrzahl seiner Kandidaten für das 80-köpfige Führungsgremium der Partei durch. Dabei erneuerte er frühere schwere Vorwürfe hinsichtlich des Führungsstils der regierenden konservativ-muslimischen AKP von Premierminister Tayyip Erdogan: "Langsam, langsam kommt der Faschismus."
Kemal Kiliçdaroglu ließ eine Liste mit Kandidatennamen in den sogenannten Parteirat wählen, die er vorher aufgestellt hatte, entgegen früheren Ankündigungen, er werde als Vorsitzender innerparteiliche Demokratie einführen. Dabei berücksichtigte er einige wenige Gefolgsleute seiner Kontrahenten, Ex-Parteichef Deniz Baykal und Ex-Generalsekretär Önder Sav.
Dem Führungsgremium der westlich-säkular orientierten Partei gehören nun 23 Frauen an, darunter die renommierte Soziologin Binnaz Toprak und die Unternehmerinnen Aylin Nazli Aka und Gülseren Onanç. Kommentatoren hoben auch die Wahl von außenpolitischen Schwergewichten aus der Zeit vor der Regierungsübernahme durch die AKP2002 hervor: der frühere Staatssekretär und Botschafter in Washington, Faruk Logoglu, der frühere Botschafter in Paris, Osman Korutürk, und der Völkerrechtler und ehemalige Botschafter Hüseyin Pazarci.
Sozialdemokratisches Profil
Die Wahl der "Außenpolitiker", Frauenrechtlerinnen und einiger profilierter kurdischer Politiker wird als Signal für eine neue reformerische, sozialdemokratische Ausrichtung der Partei vor den Parlamentswahlen im Juni 2011 angesehen. Neuer Streit droht aber bei der Benennung der Kandidaten für die Wahlkreise. (Markus Bernath aus Istanbul/DER STANDARD, Printausgabe, 20.12.2010)