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Die unscheinbaren weiß-gelblichen Blüten sind von leuchtend roten, weißen oder rosa Blättern umgeben.

Foto: APA/Carsten Rehder

Schön rot leuchten einem die Blätter des Weihnachtssterns, in Fachkreisen Euphorbia pulcherrima genannt, entgegen. Auf Tiere und Kinder hat er offenbar eine andere Anziehungskraft als die vorwiegend visuelle, die er auf Erwachsene ausübt. Denn kaum einem Erwachsenen würde jemals einfallen, sich Blätter oder Blüten in den Mund zu stecken.

Da Kleinkinder ihre Umwelt gerne auch auf oralem Wege erforschen, kann genau dies geschehen. Laut VergifungsInformationsZentrale (VIZ) in Wien ist in 90 Prozent aller telefonischen Anfragen zumindest ein Kind involviert, im Alter von zwei bis drei Jahren sind Kinder offenbar besonders neugierig.

Gesundheitliche Auswirkungen selten

Während ein Großteil der Anrufer zu Arzneimitteln und chemischen Produkten Auskunft wünscht, kommen Anfragen zu vermeintlich giftigen Pflanzen selten vor. Die VIZ berät knapp zehn Prozent aller Anrufer dazu - in weniger als einem Prozent der Anfragen treten tatsächlich gesundheitliche Folgen auf. Beschwerden sind dann meist leichte Schleimhautreizungen im Mundbereich, weil Kinder an Pflanzenteilen kauen oder lutschen.

Ernsthafte gesundheitliche Folgen kommen nur dann vor, wenn große Mengen eines pflanzlichen Giftes eingenommen werden: entweder aufgrund fehlender Sachkenntnis - etwa der ungewollte Konsum giftiger Pilze, oder durch groben Leichtsinn, wie er manchmal bei Jugendlichen im Rahmen von Mutproben vorkommt.

Jahreszeitliche Schwankungen

Die Häufigkeit der Beratungen zu Pflanzenteilen richte sich ganz nach der Jahreszeit und der sich verändernden Vegetation in der Freilandflora. Aber auch bei den Zimmerpflanzen gebe es jahreszeitliche Trends, heißt es seitens der Wiener VIZ. Unter den häufigsten Pflanzen, über die Anrufer Bescheid wissen wollen, findet sich neben Maiglöckchen, Herbstzeitlose, Vogel- und Eibenbeere auch der Weihnachtsstern. Die Advent- und Weihnachtszeit gehe mit zahllosen Beratungen über Weihnachtskaktus und Adventsstern einher. Die Euphorbia pulcherrima sei eine vielfach als extrem giftig verleumdete Pflanze, die um 1800 aus Hawaii in die USA importiert wurde und der man bald verschiedene Horrorgeschichten nachsagte. Darüber, wie giftig das Gewächs wirklich ist, herrscht oft Unklarheit; in der Vorweihnachtszeit wird aber regelmäßig vor der wolfsmilchhaltigen Pflanze gewarnt.

Züchtungen harmlos

Entstanden ist der Mythos vom giftigen Weihnachtsstern vermutlich dadurch, weil die Wildpflanze in freier Natur tatsächlich toxisch ist. Der Milchsaft der Wildform enthält Diterpene, die die Haut stark reizen und allergische Reaktionen auslösen können. Laut Informationszentrale gegen Vergiftungen an der Universität Bonn konnten diese hautreizenden Stoffe in handelsüblichen Zuchtformen nach neueren Angaben nicht nachgewiesen werden. Generell sollten Teile von Zierpflanzen nie gegessen werden, da sie Übelkeit verursachen können. Aber regelrecht gefährlich für den Menschen sind Weihnachtssterne deshalb nicht - sie werden von der Universität Bonn als "gering giftig" eingestuft.

Wissenschafter aus den USA nahmen sich in einer Analyse der Giftigkeit der Zierpflanze an. Das Ergebnis: Von 22.793 Vorfällen mit Euphorbia pulcherrima, die diversen Giftinformations-Zentralen gemeldet wurden, kam es zu keiner einzigen ernsthaften Vergiftung. Selbst eine medizinische Behandlung war großteils (96 Prozent) nicht nötig. Dieselben Erfahrungen machen die toxikologischen Informationszentren in Europa, weshalb der Weihnachtsstern nach Ansicht der Fachleute kein Risiko für Menschen darstelle, heißt es seitens der Wiener Zentrale. Bei Kleintieren sind vereinzelt schwerwiegende Verläufe beschrieben.

Erste Hilfe

"Von der Ergreifung gut gemeinter Maßnahmen im Falle einer vermuteten Vergiftung wird grundsätzlich abgeraten, da die Gefahr der Gesundheitsschädigung durch unangebrachtes Vorgehen größer ist als möglicher Nutzen", so die Wiener VIZ. Die Empfehlung der Organisation lautet deshalb, keine Behandlungsversuche vor dem Telefonanruf bei der Giftinformationszentrale (Tel. Nr: 01 406 43 43) anzustellen, sondern ausschließlich den Rat der Fachleute umzusetzen. Dies sei  in der Regel mit dem geringsten Risiko verbunden oder schließe es komplett aus. (Ursula Schersch, derStandard.at, 22.12.2010)