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Demonstranten brachten ihren Unmut zum Ausdruck.

Foto: REUTERS/Bernadett Szabo

Budapest/Brüssel - Die Proteste gegen das neue ungarische Mediengesetz haben nicht geholfen, um das viel kritisierte Paket zu verhindern. In der Nacht auf Dienstag wurde es mit der Zwei-Drittel-Mehrheit der Regierungspartei Fidesz-MPSZ und deren Bündnispartnern, den Christdemokraten (KDNP), verabschiedet. Die Opposition protestierte im Plenum mit Maulkörben und zugeklebten Mündern. Mit dem neuen Mediengesetz hat die Regierung ihre Macht über die Medien ausgebaut, lautet die Kritik.

Neue Gesetz kontrolliert auch private Medien und das Internet

Damit werden ab 1. Jänner Bestimmungen in Kraft treten, die von der Opposition sowie von Nichtregierungsorganisationen scharf kritisiert werden. Das neue Gesetz kontrolliert nicht nur die öffentlich-rechtlichen, sondern auch die privaten Medien und das Internet. Diese Aufgabe kommt der neuen Medienbehörde NMHH zu, die im Falle eines Verstoßes gegen das Gesetz hohe Geldstrafen verhängen kann.

Die Vorsitzende der Behörde wurde am Montag durch eine Verfassungsänderung bevollmächtigt, ohne Zustimmung des Parlaments Verordnungen zu erlassen. Hingegen lehnte auch die Regierungsmehrheit einen Vorschlag ab, wonach durch die Medienbehörde mit einer Geldstrafe belegte Medien sofort zahlen müssen, noch bevor ein Berufungsgericht über die Angelegenheit entschieden hat. Nun können die Medien vor Gericht einen Aufschub der Strafzahlung beantragen. Die Strafen können bis zu 200 Millionen Forint (727.723 Euro) betragen, wobei auch persönliche Bußgelder in Höhe von zwei Millionen Forint gegen Geschäftsführer von Medien verhängt werden können.

Abstimmung: 256 Ja, 87 Nein

Im Sinne des mit 256 Ja- und 87 Nein-Stimmen verabschiedeten Gesetzes soll künftig eine Nachrichtenfabrik namens Programm- und Vermögensverwaltungsfonds (MTVA) alle Nachrichten- und Polit-Programme für die öffentlich-rechtlichen Medien produzieren, die Redaktionen der elektronischen Medien werden dagegen weitgehend aufgelöst. Diese Maßnahmen widersprechen laut Kritikern den europäischen Grundwerten; auch die Medienbeauftragte der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), Dunja Mijatovic, zeigte sich im Vorfeld um die Pressefreiheit in Ungarn besorgt.

Ein Moderator protestierte Dienstag früh in der Morgensendung des öffentlich-rechtlichen Senders "MR1-Kossuth Radio" mit einer Schweigeminute gegen das Mediengesetz. Attila Mong wurde daraufhin zu Radiopräsident Istvan Jonas vorgeladen. Er konnte zwar einen sofortigen Rausschmiss abwenden, darf nun aber keine Redakteurs- oder Moderationsaufgaben mehr übernehmen.

Demo am Montagabend mit 1.500 Teilnehmern

Gegen das neue Mediengesetz hatten bereits am Montagabend auf dem Budapester Freiheitsplatz rund 1.500 Menschen demonstriert. Studenten hatten im Internet zu dieser Protestaktion aufgerufen. Laut Organisatoren seien keine Politiker eingeladen worden, um den zivilen Charakter der Demonstration zu unterstreichen.

Luxemburgs Außenminister: "Verstoß gegen EU-Verträge"

Die EU-Kommission muss nach Aussagen von Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn sofort gegen die Pläne der ungarischen Regierung vorgehen, die Kontrolle über die Medien zu verstärken. "Die Pläne verstoßen klar gegen den Geist und die Worte der EU-Verträge", sagte Asselborn am Dienstagabend der Nachrichtenagentur Reuters. Halte die rechtsnationale ungarische Regierung an den Plänen fest, stelle sich die Frage, ob das Land "würdig" sei, am 1. Jänner die halbjährliche EU-Ratspräsidentschaft zu übernehmen. Dann würden elementare Werte der EU diskreditiert.

Swoboda, Leichtfried kritisieren Gesetz

Die österreichischen Vertreter der Sozialdemokraten im Europaparlament kündigten in Reaktion auf das Mediengesetzes an, die demokratiepolitische Entwicklung Ungarns, das am 1. Jänner die EU-Präsidentschaft übernimmt, genau beobachten zu wollen. "Es zeugt von wenig demokratiepolitischem Verständnis, dass die ungarische Regierung die Zwei-Drittel-Mehrheit einsetzt, um die Medienfreiheit zu beschneiden", kritisierte SPÖ-Delegationsleiter Jörg Leichtfried am Dienstag in einer Aussendung.

"Es wäre eigentlich Aufgabe einer Ratspräsidentschaft, Entwicklungen wie die Beschneidung der Pressefreiheit kritisch zu verfolgen und auch zur Sprache zu bringen", betonte der stellvertretende Fraktionschef der Sozialdemokraten, Hannes Swoboda (SPÖ). Es sei aber klar, dass von der ungarischen Ratspräsidentschaft "kaum Selbstkritik zu erwarten" sei, deshalb werde sich das Europäische Parlament - trotz Widerstands mancher Konservativen - mit den Vorgängen in Ungarn, aber auch in Rumänien und Bulgarien bezüglich Pressefreiheit intensiv beschäftigen, kündigte Swoboda an. (APA)