"Nullsummenspiel" lautet die Einschätzung der von Finanzminister Karl-Heinz Grasser am Mittwoch als "erste Etappe der Steuerreform" dargestellten Maßnahmen im Budget durch den Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo), Helmut Kramer. Die zusätzlichen Belastungen, die die schwarz-blaue Regierung den Bürgern abverlange, werden die geplanten Entlastungen auffressen, meint Kramer. Signifikante Entlastungen seien erst bei der zweite Steuerreformetappe 2005 zu sehen.
Grassers Plan, heuer 1,3 und 2004 0,7 Prozent Defizit in Kauf zu nehmen, hält Kramer für richtig. Ein Festhalten am Nulldefizit wäre in der schlechten Konjunktursituation das falsche Ziel, so der Wifo-Chef. Die von Grasser zugrunde gelegten Zahlen für die Budgeterstellung hält Kramer für einigermaßen realistisch. Schon jetzt ein Budget für 2004 zu erstellen berge aber ein gewisses Risiko.
IHS: Wachstumsrate unsicher
Kramers Kollege vom Institut für Höhere Studien (IHS), Bernhard Felderer, sieht das Doppelbudget weniger problematisch, da sich eine auseinander laufende Entwicklung mithilfe von Nachtragsbudgets korrigieren lasse. Allerdings sei die Wachstumsrate für 2004 noch unsicher und "eher nach unten als nach oben" zu korrigieren. Beide Forschungsinstitut-Chefs, Felderer und Kramer, lobten die Aufstockung der Mittel für Forschung und Bildung.
Harsche Oppositionskritik
Von der Opposition wurde Grassers Doppelbudget mit harscher Kritik bedacht: SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer sah sich mit einem "unsozialen Schröpfbudget", nicht mit einem "Zukunftsbudget", so Grasser, konfrontiert. Es gebe "nahezu ausschließlich massive Belastungen für große Teile der Bevölkerung", sagte Gusenbauer und warf der Regierung vor, "taub" zu sein für die Sorgen der Bevölkerung.
Grasser habe sich als "Schmähführer" auf der Regierungsbank geriert, sagte Grünen-Chef Alexander Van der Bellen. Der Finanzminister habe mit falschen, "vollkommen unnachvollziehbaren" Zahlen operiert. 2004 gebe es keine Steuernettoentlastung, sondern eine Belastung. Grasser habe gezeigt, dass er "Fantasie und Realität nicht auseinander halten kann".
Die Regierung arbeite "weiter gezielt an der Demontage des Sozialsystems in Österreich", reagierte der Leitende ÖGB-Sekretär Richard Leutner auf die Budgetrede. (nim, DER STANDARD, Printausgabe 8.5.2003)