Zu Finanzminister Karl-Heinz Grassers Budgetzahlen von Mittwoch kann die EU-Kommission noch nichts sagen. "Unsere Experten müssen das erst prüfen", so der Sprecher von EU-Währungskommissar Pedro Solbes. Doch eine warnende Budgetbotschaft hatte Brüssel erst wenige Tage zuvor nach Wien abgeschickt: Die Staatsverschuldung steigt weit über den Grenzwert, die absehbare Haushaltsentwicklung ist "nur zum Teil mit dem Stabilitäts- und Wachstumspakt vereinbar".
"Was in unserer Bewertung des österreichischen Stabilitätsprogramms steht, gilt weiterhin", so der Solbes-Sprecher am Mittwoch. Nächsten Dienstag haben die EU-Finanzminister bei ihrem Ratstreffen darüber zu befinden.
Aus dem Papier der Kommission klingt Enttäuschung und Besorgnis. Enttäuschung, denn "vor dem Zusammenbruch der Regierung im September 2002 war die Erreichung und Aufrechterhaltung eines ausgeglichenen Haushalts ein Kernstück der Wirtschaftspolitik", heißt es. Davon aber sei die österreichische Regierung nun abgegangen. Budgetdefizite von 1,3 Prozent des BIP heuer und sogar 1,5 Prozent im Jahr 2005 werden einkalkuliert. Dies liege unter anderem an den geplanten Steuererleichterungen. Doch eine Senkung der Steuern, die nicht von entsprechenden Ausgabeneinsparungen flankiert werden, sei eine "riskante Strategie".
Besorgnis erfasst die EU- Kommission insbesondere beim Blick auf Österreichs öffentlichen Schuldenstand: Dessen Quote - also der Anteil der Staatsschulden am BIP - liege nicht nur nach wie vor über dem Maastricht-Grenzwert von 60 Prozent. Vielmehr sei sie "im Jahr 2002 um fast sieben Prozentpunkte des BIP auf 67,8 Prozent des BIP hochgeschraubt" worden. Mit einer Reduzierung auf unter 60 Prozent rechnet Brüssel nicht vor 2007, "obwohl dies bereits 2002 erzielt werden sollte".
Bei diesen Zahlen kann höchstens trösten, dass die Staatsverschuldung in anderen Eurostaaten wie Italien mit rund 110 Prozent oder Belgien mit 105 Prozent des BIP noch höher liegt. Auch Österreichs Budgetdefizit bleibt, trotz Grassers Abkehr vom Ziel eines ausgeglichenen Haushalts, auf absehbare Zeit zumindest ausreichend weit von der Dreiprozentmarke des Euro-Stabilitätspakts entfernt - anders als in Portugal, Deutschland oder Frankreich.(DER STANDARD, Printausgabe, 8.5.2003)