Aichinger: Die Wachebeamten in den überfüllten Zellentrakten arbeiten "an der Sicherheitsgrenze, wenn nicht zum Teil bereits darüber"

Foto: Isabella Lechner / dieStandard.at

Wien - Mehr "verhaltensgestörte" Häftlinge, weniger Justizwachebeamte. Und - weil "die Beamten praktisch keine Zeit mehr haben, etwa den Klagen eines verzweifelten Häftlings zuzuhören, den die Freundin draußen verlassen will" - mehr Probleme mit Aggression in den Hafträumen.

So schildert Karl Aichinger, oberster Gewerkschafter der Wiener Justizwachebeamten, den sich beschleunigenden Gewaltkreislauf in den heimischen Gefängnissen, der bis hin zur Absonderung Jugendlicher in Sicherungszellen des Erwachsenentrakts führte (der STANDARD berichtete). An dessen Anfang, so betont er, stehe der Planstellenabbau im Justizwachebereich, "für den es keine Lobby gibt".

Bundesweit, sagt Aichinger, seien seit 1999 bei der Justizwache 300 von 3400 Planstellen gestrichen worden, im laufenden Jahr drohten weitere fünf bis zehn Prozent Kürzung beim Personal: "Für die Josefstadt bedeutet das rund zehn Beamte weniger. Von 430".

So seien aus dem Jugendgefängnis Erdberg von den dort 32 Wachebeamten 19 in die Josefstadt übersiedelt. "Was mit ihnen jetzt nach der endgültigen Auflösung der JA Erdberg geschieht, weiß ich nicht", sagt Aichinger.

Vor diesem Hintergrund sei etwa das Konzept eines "Friseurbetriebs" als Ausbildungsort für die mittlerweile mehr als 15 in U-Haft einsitzenden unter 21-jährigen Mädchen "ein reiner Wunsch an das Christkind". Weil dafür "zwei voll bezahlte Planstellen zusätzlich" nötig seien; den in Wien-Josefstadt gefangenen Mädchen fehlt derzeit - von der Grundschule abgesehen - jede Lernmöglichkeit.

Überhaupt arbeiteten die Wachebeamten in den überfüllten Zellentrakten "an der Sicherheitsgrenze, wenn nicht zum Teil bereits darüber". Die Regel, wonach ein Haftraum nur unter Anwesenheit zweier Beamten aufgeschlossen werden dürfe, könne oft nicht befolgt werden.

Weil keine personellen Reserven bestünden, habe man deshalb als "Kompromisslösung" den "Personenrufempfang" eingeführt: Funkgeräte, mit denen ein Beamter im Fall von Gefahr "binnen drei Minuten Kollegen zu Hilfe holen kann". Die Klientel nämlich werde immer schwieriger: "Bodypacker" etwa, die teilweise große Mengen in Plastik eingeschweißtes Suchtgift geschluckt haben, müssten von je zwei Beamte bewacht werden. "Um zu verhindern, dass sie auf der Toilette das ausgeschiedene Suchtgift erneut schlucken." (Irene Brickner/DER STANDARD, Printausgabe, 8.5.2003)