STANDARD: Das Internationale Jahr der Biodiversität geht zu Ende. Was hat sich in diesem Jahr getan?
Frank: Es ist jedenfalls sehr viel Öffentlichkeitsarbeit gemacht worden. Es ist wichtig, dass die Öffentlichkeit über dieses Thema spricht und informiert ist, weil der Naturschutz sonst für die Politik oft nur als Hindernis wahrgenommen wird. Biodiversität sollte in Zukunft mindestens dieselbe Aufmerksamkeit genießen wie das Klimathema.
STANDARD: Welche sind die gravierendsten Folgen des Biodiversitäts-Verlustes?
Frank: In den meisten Lebensräumen kann man davon ausgehen, dass sie desto stabiler gegenüber Störungen sind, je höher die darin vorhandene Artenvielfalt ist. Das ist ungefähr so, wie wenn ich ein Dorf habe, in dem es zwanzig verschiedene Berufe gibt.
STANDARD: Was hat denn das eine mit dem anderen zu tun?
Frank: Wenn ein paar Berufe ausfallen, kann das Dorf immer noch weitgehend autark sein. In einer amerikanischen Studie hat man kleine Versuchsflächen von Grasland mit unterschiedlich hoher Artenvielfalt geschaffen und nach einer unvorhersehbaren Dürreperiode Folgendes beobachtet: Die artenreichen Flächen haben schon nach vier Jahren wieder dieselbe Biomasse erzeugt wie vorher, die artenarmen haben sich dagegen auch Jahre später noch nicht vollständig erholt.
STANDARD: Was bedeutet das für uns Menschen?
Frank: Es bedeutet vor allem eingeschränkte Ökosystemleistungen, also all das, was uns die Natur quasi gratis zur Verfügung stellt. Dazu gehören neben Medizinalpflanzen, Hölzern und Früchten vor allem auch sauberes Wasser und fruchtbarer Boden, die ihrerseits wieder nötig sind für Lebensmittelproduktion. Das hat natürlich auch einen riesigen monetären Wert: Wenn es diese Leistungen nicht - mehr - gäbe, müssten wir versuchen, sie künstlich nachzustellen.
STANDARD: Das wäre aber wahrscheinlich teuer.
Frank: Abgesehen davon: Wir könnten das wohl gar nicht. Wir müssen in diesem Zusammenhang verstehen lernen, dass Artenvielfalt zu erhalten kein Luxus ist, sondern tatsächlich unsere Lebensgrundlage.
STANDARD: Wie hängen sauberes Wasser bzw. fruchtbarer Boden und Artenvielfalt eigentlich zusammen?
Frank: Aus Flächen, die weniger Artenvielfalt an Pflanzen aufweisen, wird beispielsweise mehr Nitrat ins Grundwasser ausgewaschen. Ebenso ist es mit der Bodenfruchtbarkeit: Je mehr verschiedene Mikroorganismen wie Pilze oder Bakterien wir darin haben, desto besser funktioniert die Nährstoffaufbereitung, die ja für die Fruchtbarkeit verantwortlich ist. Artenreiche Vegetation bindet auch mehr Treibhausgase als artenarme. Wir wissen, dass es so ist, obwohl wir noch nicht hundertprozentig wissen, warum.
STANDARD: Wie könnte man dieses Phänomen erklären?
Frank: Eine Erklärung wäre, dass verschiedene Arten verschiedene Strategien - zum Beispiel des Wasserrückhalts oder der Nährstoffaufbereitung - haben und dadurch die Möglichkeiten des Systems besser ausschöpfen.
STANDARD: Was sind die Hauptverursacher des Artenverlustes?
Frank: Global gesehen, sind es vor allem die Vernichtung der tropischen Regenwälder, das Leerfischen der Meere und die Gefährdung der Korallenriffe. Immerhin sind Regenwälder und Korallenriffe die artenreichsten Lebensräume der Erde. In Mitteleuropa ist es in erster Linie die Intensivierung der Landwirtschaft, die mit hohem Pestizideintrag, Überdüngung und dem Ausräumen naturnaher Landschaftselemente wie Hecken oder Feldraine einhergeht. Ein wesentliches Problem ist außerdem die Bodenversiegelung.
STANDARD: Wie steht es um die Biodiversität in Österreich?
Frank: Schlecht. Österreich hat wie alle anderen EU-Staaten das Ziel verfehlt, den Artenrückgang zu stoppen. Ein kaum je angesprochenes Thema ist dabei die Wasserkraft.
STANDARD: Wieso?
Frank: Viele Flussstrecken sind bereits verbaut, Auwälder mit ihrer Artenvielfalt wurden kaputtgemacht. Die Wasserkraft wird immer als saubere Energiequelle gehandelt - was sie in puncto Abgase auch ist. Was die Biodiversität betrifft, ist sie aber bedenklich. Der Lech in Tirol etwa ist biologisch so wertvoll wie die Donauauen, aber die Ausbaupläne verstummen nicht. Wir haben schon so viele Naturräume zerstört, wir können so nicht weitermachen. Daher Hände weg von sensiblen Flussabschnitten mit unwiederbringlicher Artenvielfalt.
STANDARD: Wieso ist es so schwer, die Problematik zu begreifen?
Frank: Wir sind im Grunde immer noch Steinzeitmenschen, wir denken nicht langfristig. Aber wenn wir so mit dem Raubbau an der Natur weitermachen, wird uns unsere Steinzeitkeule noch irgendwann gewaltig auf den Kopf fallen.
STANDARD: Was kann der Einzelne tun, um den Artenverlust einzuschränken?
Frank: Im eigenen Garten kann man auf Exoten verzichten, die an die heimische Tierwelt nicht angepasst sind. Auch das Anlegen von Teichen oder Blumenwiesen fördert die Artenvielfalt, oder wenn man einzelne Flächen verwildern lässt. Ein bisschen mehr Schlamperei täte der Natur gut.
STANDARD: Was wird an der Universität für Bodenkultur für die Biodiversität getan?
Frank: Seit rund zwei Jahren gibt es eine eigene Plattform für Naturschutz- und Biodiversitätsforschung, die sich Satoyama nennt. Das kommt aus dem Japanischen und heißt ungefähr so viel wie "Zusammenspiel von Mensch und Natur". Da sammeln sich Biologen, Techniker, Wirtschafts- und Gesellschaftswissenschafter unter einem Dach und befassen sich mit der Problematik. (DER STANDARD, Printausgabe, 29.12.2010)