Berühmtheiten, made by ATV: Spotzl, Pichla und Molti (v. li.) haben zwecks Personenschutz keine Nachnamen mehr.

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 Vor einem Jahr, da waren sie noch einfach Maurer, Elektrotechniker und Einzelhandelskaufmann. Dann entdeckte ATV sie in einer Disco bei St. Pölten. Heute sind sie Stars - zumindest bei Nacht: Spotzl (18), Molti (21) und Pichla (19) haben sich berühmt gesoffen.

Wenn die drei nicht drehen, treten sie mit ihrer Single Vollgas in Discos auf. Ins Empire St. Martin, die größte Disco Oberösterreichs, kamen mehr als 4000 Fans, ins Grazer Bollwerk quetschen sich 3000, um mit ihnen zu feiern. Bis Ende März sind sie jedes Wochenende gebucht, Freitag und Samstag, 2500 Euro pro Auftritt.

Spotzl, Molti und Pichla sind die Hauptfiguren von Saturday Night Fever, dem Schau- und Balz-Trinken auf ATV. Der Sender begleitet die drei und andere junge Menschen beim Fortgehen: zum Vorglühen mit Dosenbier auf dem Shoppingcenter-Parkplatz, bei der "Beislrallye" oder ins Zentrum der bildungsbürgerlichen Angstfantasie, die Großraumdisco.

Dementsprechend vernichtend fällt manches Urteil aus: "Das ist wie das Ende von Max und Moritz: Das Fernsehen zermalmt die Protagonisten, und die Zuseher sind die Hühner, die die Körner aufpicken", sagt Jugendforscher Bernhard Heinzlmaier. "Happy Slamming" nennt der die Sendung - "Erniedrigung zum Gaudium der Massen" sei "ein großer Trend bei allen Unterhaltungssendungen."

Dass so viele Menschen dabei mitspielen, liege daran, dass sie stolz seien, ernst genommen zu werden: "Das sind Leute, die sonst überall ausgegrenzt werden - auf dem Arbeitsmarkt, in teuren Geschäften, außerhalb ihrer Peer Group will sie keiner haben."

Im November erreichte die Sendung bei den Zwölf- bis 29-Jährigen Marktanteile von fast 25 Prozent. Drehs mussten verlegt werden, weil in die Discos zu viel Publikum kam. "Wir haben mehr Seher als die ORF-Show Helden von morgen - bei weniger als zehn Prozent der Kosten", sagt ATV-Programmdirektor Martin Gastinger.

Zwei Millionen Zugriffe

Er klingt berauscht, wenn er über die Sendung spricht, über die "Lawine" an Reaktionen auf Facebook und Youtube, die bisher zwei Millionen Zugriffe auf die Videos auf der ATV-Homepage, die dutzenden Jugendlichen, die sich nach jeder Sendung melden und auch einmal beim Feiern gefilmt werden wollen. Inzwischen hat er das Konzept in die Schweiz verkauft, wo es ebenfalls erfolgreich startete, auch ein deutscher Sender hat bereits angefragt.

Gleich zwei sehr verschiedene Zielgruppen zu bedienen sei das Geheimnis des Erfolgs, meint die Soziologin Eva Flicker, die sich mit Reality TV beschäftigt. "Die einen sehen sich die Sendung an, weil sie sich mit ihr identifizieren. Die anderen, weil sie ihnen hilft, sich abzugrenzen."

Gastinger hat seine eigene Erklärung: "Wir zeigen, wie es wirklich abgeht. In einer sehr abgefederten Variante", sagt er. "Wir tun nichts, was wir nicht sonst auch tun, außer vielleicht ein bissl deppater", meint Protagonist Spotzl. Nur ihre Getränke zahlen sie nicht mehr selbst, genauso wenig wie den Urlaub in Lignano oder das Rennautofahren in Bratislava.

Verschwitzt und besoffen

Vor den Aufzeichnungen besprechen sie mit dem Produktionsteam, wo es diesmal hingeht: jedes Mal eine andere Disco, am besten nicht in Wien, weil Fernsehen sowieso meist in der Hauptstadt spielt. Vor Ort wird dann nur noch mitgefilmt. Gnadenlos - wenn die Protagonisten lallen und torkeln, verschwitzt und besoffen umfallen oder gegen Laternen rennen, erfolglos versuchen, Mädchen zu küssen, sie "fette Katz" nennen und gezählte 55-mal "oida" in fünf Minuten sagen.

Molti, Spotzl und Pichla wollen weiter machen, solange es geht. Im Jänner startet die vierte Staffel, für den Sommer ist ein Album geplant. Vielleicht, so hoffen sie, können sie irgendwann davon leben. "Manche Türen sind aufgegangen, andere zu", sagt Spotzl zum Erfolg. Die, die sich geöffnet haben, interessieren ihn sowieso mehr. (Tobias Müller, DER STANDARD; Printausgabe, 31.12.2010/1./2.1.2011)