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Battisti bei seiner Ankunft in Brasilien. Die Gefängnisstrafe wegen illegaler Einreise endet im Februar 2011, wenn der Oberste Gerichtshof bei seiner ersten Sitzung nach der Sommerpause nicht beschließt, dass seine Freilassung dem Auslieferungsabkommen mit Italien widerspricht.

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Protest gegen Battistis mögliche Auslieferung: die Demonstranten stellen Vergleiche mit der Inquisition an (Archivbild aus dem Jahr 2009)

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Der brasilianische Präsident Luiz Inacio Lula da Silva hat an seinem letzten Amtstag die Forderung Italiens nach einer Auslieferung des früheren italienischen Linksextremisten Cesare Battisti abgelehnt. Damit folgte er einer Empfehlung der Generalstaatsanwaltschaft des Landes. Italien hatte bis zuletzt auf die Auslieferung des seit 2007 in Brasilien inhaftierten Battisti gepocht, dem in Italien wegen vierfachen Mordes eine lebenslange Haftstrafe droht. Battisti, der als Krimiautor bekannt ist, streitet eine Beteiligung an den Morden vehement ab.

Als erste Reaktion auf Lulas Entscheidung beorderte Rom seinen Botschafter aus Brasilia zurück. Man wolle über rechtliche Schritte beraten, um die auf einem bilateralen Abkommen und der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in Brasilien basierenden rechtmäßigen Ansprüche Italiens zu verteidigen, begründete das Außenministerium in Rom den Rückruf.

Am Sontag hat die Regierung Berlusconi wirtschaftliche und rechtliche Konsequenzen angekündigt. Außenminister Frattini erklärte am Sonntag, die für Jänner geplante Verabschiedung eines strategischen Handelsabkommens werde auf Eis gelegt.

Beobachtern zufolge ist die Entscheidung für Italien durchaus schmerzhaft. Es geht für Rom um die Lieferung von Schiffen, Radaranlagen und Raketen nach Brasilia im Wert von rund fünf Milliarden Euro. Doch Ministerpräsident Berlusconi steht unter dem Druck der Öffentlichkeit. Berlusconi hatte bereits "mit tiefster Bitterkeit" erklärt, Italien werde alles tun, um sein Recht auf Auslieferung Battistis in allen Instanzen geltend zu machen.

Ausbruch aus italienischem Gefängnis

Battisti soll als Gründungsmitglied der Gruppe "Bewaffnete Proletarier für den Kommunismus" Ende der 1970er-Jahre an vier Morden in Italien beteiligt gewesen sein. Zwei seiner Opfes sollen italienische Polizisten gewesen sein. Nach dem Ausbruch aus einem italienischen Gefängnis fand er jahrelang in Frankreich Asyl, das ein Ausstiegsprogramm für italienische Linksextremisten aufgelegt hatte. Im Rahmen der nach dem damaligen Präsidenten benannten "Mitterand-Doktrin" wurden wegen Gewaltverbrechen Verurteilten, die nicht an "aktivem, blutigem Terrorismus" beteiligt waren, nicht nach Italien ausgeliefert.

Ein Pariser Gericht lehnte 1991 seine Auslieferung nach Italien ab. Als Frankreich 2004 sein Asyl zurückzog, floh Battisti nach Brasilien und wurde im März 2007 in Rio de Janeiro festgenommen. Derzeit sitzt er in Brasilia im Gefängnis.

Lula tat Dilma einen Gefallen

Lula ersparte mit seiner Entscheidung, die Nichtauslieferung Battistis als seine letzte Amtshandlung anzuordnen, seiner Nachfolgerin Dilma Rousseff eine schwierige Entscheidung: wenn die ehemalige Guerillakämpferin beschlossen hätte, das Mitglied der "Bewaffneten Proletarier für den Kommunismus" im Land zu behalten, hätte dies ihr Verhältnis zu Italien gleich zu Amtsantritt schwer belastet.

Die italienische Regierung reagierte empört auf die Entscheidung des brasilianischen Präsidenten, die Überstellung Battistis endgültig abzulehnen. Italiens Verteidigungsminister Ignazio La Russa bezeichnete Lulas Beschluss als "unfair und beleidigend": "Ich hoffe, dass Brasilien seinen Beschluss überdenkt. Wir werden jedenfalls alles Mögliche unternehmen, damit dieser Beschluss rückgängig gemacht wird", erklärte La Russa nach Angaben italienischer Medien.

Gasparri: "Schande für Brasilien"

Der Fraktionschef der Partei von Ministerpräsident Silvio Berlusconi, PdL (Volk der Freiheit/Popolo della liberta'), Maurizio Gasparri, bezeichnete Lulas Entscheidung als "Schande für ganz Brasilien". "Guerrilla-Kämpfer in Machtpositionen setzen sich für unbestrafte Terroristen ein. Wir werden nicht schweigen. Lula schützt einen Mörder", so Gasparri.

Entrüstet zeigte sich auch Alberto Torregiani, Sohn eines 1979 in Mailand getöteten Juweliers, für dessen Ermordung Battisti bereits verurteilt ist. Der damals 15-jährige Torregiani war bei dem Überfall auf das Juweliergeschäft seines Vaters anwesend, wurde angeschossen und ist seitdem querschnittgelähmt. Er bezeichnete Lulas Entscheidung als "unbegreifliche Schande".

Berlusconi gibt nicht auf

Der brasilianische Außenminister Celso Amorim erklärte in der Hauptstadt Brasilia, Lula habe seine Entscheidung aufgrund eines Berichts der Staatsanwaltschaft getroffen. "Diese Entscheidung ist kein gegen einen anderen Staat gerichteter Affront", sagte Amorim. Entsprechende Äußerungen aus Rom seien "sehr befremdlich" und "unverschämt", sagte er mit Verweis auf eine Erklärung der italienischen Regierung vom Donnerstag, in der diese eine Ablehnung des Auslieferungsgesuchs bereits als "nicht hinnehmbar" bezeichnet hatte.

Regierungschef Silvio Berlusconi erklärte, der "Kampf" um die Auslieferung Battistis sei noch nicht beendet. "Italien gibt nicht auf und wird sein Recht durchsetzen", so der Premier. Den Angehörigen der Opfer der Battisti zur Last gelegten Verbrechen sprach er seine Solidarität aus.

Politisches Asyl

Dem Schritt des brasilianischen Präsidenten ging ein fast zweijähriges Tauziehen voraus. Der frühere brasilianische Justizminister Tarso Genro hatte Battisti Anfang 2009 politisches Asyl gewährt und dies damit begründet, dass eine politische Verfolgung Battistis in Italien nicht ausgeschlossen werden könne. Das hatte heftige Kritik aus Rom zur Folge gehabt. Zwar sprachen sich im November 2009 die Richter des Obersten Gerichtshofes in Brasilien mehrheitlich für die Auslieferung Battistis nach Italien aus. Doch hatte Lula in dieser Angelegenheit das letzte Wort.