Düsseldorf/Hannover - Der Skandal um dioxinbelastete Eier und Geflügel im deutschen Bundesland Nordrhein-Westfalen weitet sich möglicherweise aus. Das nordrhein-westfälische Verbraucherschutzministerium rechnete bereits für Montag mit weiteren Ergebnissen der Laboruntersuchungen von Proben aus betroffenen Betrieben. Man gehe davon aus, "dass sich die Anzahl der Fälle mit Dioxin belasteten Eiern erhöhen wird", sagte ein Sprecher des Ministeriums am Sonntag.
Unreines Futtermittel
In zwei von sechs Proben waren nach Angaben des Ministeriums in Düsseldorf bereits erhöhte Dioxin-Werte festgestellt worden. Die als krebserregend geltende chemische Substanz war vermutlich durch verunreinigte Fette in das Futtermittel der betroffenen Betriebe gelangt.
NRW-Verbraucherminister Johannes Remmel (Grüne) kündigte am Wochenende weitere, kurzfristige Überprüfungen von bis zu 25 Ställen im Land an. Sie sollen von einem Futterhersteller beliefert worden sein, in dessen Hühnerfutter mit Dioxin belastete Fette verarbeitetet wurden.
Dies gehe aus einer Lieferliste des niedersächsischen Agrarministeriums hervor, sagte Remmel. Die betroffenen Betriebe liegen den Angaben zufolge in den Kreisen Steinfurt, Minden, Warendorf und Gütersloh. Bei den Firmen handele es sich um Legehennen- und Putenmastbetriebe sowie um fünf weitere landwirtschaftliche Betriebe. 14 Betriebe wurden den Angaben zufolge bereits vorsorglich gesperrt.
Gefahr für Gesundheit
Laut Ministerium sind mittel- und langfristig gesundheitliche Schäden durch den Verzehr dioxinbelasteter Lebensmittel nicht ausgeschlossen. Bei geringem Verzehr belasteter Produkte bestehe aber keine akute Gesundheitsgefahr, hieß es.
Verantwortlich soll eine Firma aus Schleswig-Holstein sein. Nach Angaben des niedersächsischen Landwirtschaftsministeriums sollen in dem Unternehmen pflanzliche Fette, die Futtermitteln zugemischt werden, mit mechanischen Fetten vermischt und dadurch verunreinigt worden sein. Derzeit werde geprüft, wohin die verunreinigten Fette geliefert wurden.
Nach Ministeriumsangaben sind neben Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein auch Niedersachsen, Hamburg und Sachsen-Anhalt betroffen. Bis Mitte Dezember könnten dort Futtermittelhersteller mit den Fetten versorgt worden seien.
Unternehmen meldete Zwischenfall
Der schleswig-holsteinische Regierungssprecher Knut Peters sagte, das ins Blickfeld geratene Unternehmen aus Uetersen habe im vergangenen Monat von sich aus den Zwischenfall an das Verbraucherschutzministerium gemeldet. Daraufhin habe das Verbraucherschutzministerium eine Schnellmeldung an alle Bundesländer herausgegeben.
Das schleswig-holsteinische Landeslabor habe in dem Unternehmen Proben genommen, die noch untersucht würden. Ein Ergebnis stehe noch aus. "Es gibt aus unserer Sicht keinen Hinweis darauf, dass es zwischen den Dioxinbelastungen in Eiern und dem Unternehmen einen ursächlichen Zusammenhang gibt", sagte Peters.
Unternehmenssprecher Sievers sagte dem Bielefelder "Westfalen-Blatt" (Montagausgabe), man arbeite bei der Suche nach den Gründen für die Verunreinigung eng mit den Behörden zusammen. "Wir haben bislang noch keine Erklärung dafür, so etwas hat es bei uns noch nie gegeben", sagte er. Eine unmittelbare Gefahr für den Verbraucher bestehe nicht.
Die niedersächsischen Landtags-Grünen warfen der Landesregierung in Hannover derweil "fahrlässigen Umgang" mit dem Verbraucherschutz vor. "Die hiesigen Behörden haben das Problem tagelang verharmlost", sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Christian Meyer am Sonntag in Hannover.
Noch vor wenigen Tagen habe das Agrarministerium den von den Grünen erhobenen Vorwurf, dass nicht nur das Futter, sondern auch die täglich verkauften 400.000 Eier aus den 20 damit belieferten Betrieben über dem Grenzwert belastet sein könnten, als "Quatsch" ausgeschlossen. Jetzt zeichne sich ein bundesweiter Giftskandal in Lebensmitteln ab. In Niedersachsen seien ein Handelsverbot und eine Rückrufaktion der potenziell belasteten Eier-Chargen seit Weihnachten überfällig.
Meyer nannte es unverantwortlich, dass trotz des vorbeugenden Lieferstopps in Nordrhein-Westfalen in Hannover nicht reagiert worden sei. Mehr als eine Woche seien Eier der betroffenen Betriebe weiterhin ungeprüft in den Handel gelangt. Gesundheitsgefährdungen durch krebserregendes Dioxin seien so in Kauf genommen worden. Meyer kündigte eine parlamentarische Initiative seiner Fraktion an, mit der aufgeklärt werden soll, warum Niedersachsens Behörden so spät reagieren. (APA)