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Neugebauer stören nicht die Maßnahmen an sich, sondern die Abruptheit mit der sie eingeführt werden.
Wien - Nach dem Vorarlberger Landeshauptmann Herbert Sausgruber kündigt mit Beamten-Gewerkschaftschef Fritz Neugebauer ein zweiter prominenter ÖVP-Politiker eine Verfassungsklage gegen das Sparpaket der Regierung an. Während sich die Vorarlberger Landesregierung gegen die Einsparungen bei den Familien wendet, kündigt Neugebauer wegen der Pensionsreform den Gang zum Höchstgericht an.
Konkret hält Neugebauer die Erhöhung des Antrittsalters für die Hackler-Pension auf 62 Jahre und die Erhöhung der Abschläge für die Korridor-Pension bei den Beamten für verfassungswidrig. Neugebauer stören dabei nicht die Maßnahmen an sich, sondern die Abruptheit mit der sie eingeführt werden. Der GÖD-Vorsitzende rechnet sich dabei gute Chancen aus, weil die Planbarkeit in Pensionsfragen auch in der Rechtssprechung des VfGH eine der sensibelsten Fragen sei.
Gegen Steuerreform und Neue Mittelschule
Doch Neugebauer will nicht nur gegen die Pensionsreform klagen, er übte zudem heftige Kritik an der Ankündigung von Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ), 2013 eine weitere Steuerreform im Ausmaß von drei Milliarden Euro durchführen zu wollen. Wenn Faymann diese Ankündigung vor der Budgetdebatte im Nationalrat gemacht hätte, dann wäre diese Debatte im Parlament möglicherweise ganz anders verlaufen, meinte Neugebauer. Er wirft dem Bundeskanzler deshalb vor, "scharf am Populismus" zu agieren.
Als Konsequenz aus den schlechten Pisa-Ergebnissen vor allem im Bereich Lesen fordert Neugebauer Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) auf, jetzt das Koalitionsabkommen abzuarbeiten, in dem eine Förderung der Sprach- und Lesekompetenzen enthalten ist. Eine Ausweitung des Schulversuchs zur Neuen Mittelschule lehnt Neugebauer ab.
Wiedereinführung von Eignungsprüfungen
Für die Aufnahme in eine AHS befürwortet der GÖD-Vorsitzende die Wiedereinführung von Eignungsprüfungen. Diese sollten aber nicht allein über die Aufnahme des Kindes entscheiden, sondern gemeinsam mit der Prognose des Volksschullehrers herangezogen werden.
Beim ÖVP-Bildungskonzept will sich Neugebauer nicht drängen lassen: "Ob das jetzt im Jänner oder Februar kommt, ist sekundär." Die ÖVP habe gültige Konzepte, und es gebe das Koalitionsabkommen. Neugebauer geht zwar davon aus, dass das ÖVP-Bildungspapier nach dessen Vorlage schon auf breiter Basis diskutiert wird, gleichzeitig meint er aber auch, dass es erst "Schwerpunkt der Wahlwerbung" für die nächste 2013 geplante Wahl wird und danach auch in die Koalitionsverhandlungen eingebracht wird.
Bis dahin sollte nach Neugebauers Auffassung das bestehende Koalitionsabkommen umgesetzt werden. Er appelliert an Schmied, "ihrem Auftrag nachzukommen". Im Koalitionsabkommen sei die Förderung der Sprach- und Lesekompetenzen ebenso enthalten wie die Erwachsenenbildung.
"Reine Lobbyisten-Sichtweise"
Neugebauers Aussagen stießen bei seiner Parteikollegin, Innenministerin Maria Fekter (ÖVP), auf scharfe Kritik. Der Zweite Nationalratspräsident Neugebauer habe "als Lobbyist" gesprochen, sagte sie in ihrer Funktion als stellvertretende ÖVP-Obfrau am Sonntag. Die Bildungspolitik der Volkspartei sei aber "schon wesentlich weiter als die reine Lobbyisten-Sichtweise". Man werde mit einer Bildungsreform keinesfalls bis zum nächsten Koalitionsübereinkommen warten können. Die Ankündigung Neugebauers, eine Verfassungsklage wegen des Sparpaketes einreichen zu wollen, bezeichnete Fekter als "seltsam".
Man werde die Frage der Bildungsreform "selbstverständlich" gemeinsam mit der Gewerkschaft besprechen, so die VP-Vizechefin. "Aber so wie Neugebauer das gebracht hat, so ist das in der ÖVP nicht mehrheitsfähig", sagte Fekter zu Neugebauers Meinung, wonach es wohl erst im Zuge der nächsten Regierungsverhandlungen - nach den 2013 geplanten Nationalratswahlen - zu einer Umsetzung des in Ausarbeitung befindlichen ÖVP-Bildungskonzept kommen werde.
Vielmehr werde eine Bildungsreform "mit Sicherheit" schon im nächsten Frühjahr angegangen, sagte Fekter. Dabei werde es nicht nur um Organisation und um Personalvertretungsangelegenheiten gehen, sondern um wesentlich mehr. Die Ministerin nannte vor allem Reformbedarf bei Lehrinhalten und Lehrmethoden und Diskussionsbedarf in Hinblick auf ein differenziertes Schulsystem.
"Apodiktische Aussagen verfrüht"
Auch das Nein Neugebauers zur Ausweitung der Neuen Mittelschule wollte Fekter so nicht stehen lassen. "Apodiktische Aussagen halte ich für verfrüht." Natürlich habe die Neue Mittelschule auch Personalvertretungsaspekte, es sei gerechtfertigt, dass man das berücksichtigt. Gleichzeitig sei aber klar, dass Reformbedarf bestehe.
Verwundert zeigte sich Fekter über Neugebauers Ankündigung, mittels Verfassungsklage gegen die Pensionsreform vorgehen zu wollen. "Sich in Gremien nicht zu äußern und dann nach einer Woche aufzuwachen und eine Verfassungsklage anzukündigen, halte ich für eine seltsame Vorgangsweise". Betreffend der Finanzierbarkeit der Pensionen - "auch in Hinblick auf Pensionengerechtigkeit" - sei es "nicht mehr an der Zeit, sich als Reformverweigerer zu profilieren." Als Juristin müsse sie aber sagen, es sei grundsätzlich legitim, Rechtsmittel auszuschöpfen.
Im Unterschied zu Neugebauer habe Vorarlbergs Landeshauptmann Sausgruber seine verfassungsrechtlichen Bedenken bereits vor der Beschlussfassung des Budgets geäußert, das sei auch intensiv diskutiert worden. Die ÖVP habe auch eine Regelung haben wollen, die die verfassungsrechtlichen Unsicherheiten abfedert - "das war aber mit der SPÖ nicht machbar", erklärte Fekter.
SPÖ: "Klagt sich selber"
Herbe Kritik an Neugebauers Ideen kam auch von der SPÖ und der Opposition. SPÖ-Bundesgeschäftsführer Günther Kräuter erklärte am Sonntag per Aussendung, er hoffe, "Neugebauer ist klar, dass er sich selber klagt". Dieser habe "auf Punkt und Beistrich" dem Budget 2011 zugestimmt und "alle Maßnahmen mitbeschlossen, die er jetzt vor das Höchstgericht bringen will". FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky sah ebenfalls eine "Selbstzerfleischung der ÖVP", wenn Neugebauer "eine Verfassungsklage gegen die Pensionsreform ankündigt, nachdem er selbst im Nationalrat dem Budget vollinhaltlich zugestimmt hat". Einge in der ÖVP wollten sich offenbar "den vergraulten Bürgern anbiedern". Das BZÖ ortete gar einen ÖVP-Aufstand gegen Josef Pröll. "Die Landesfürsten wie Vorarlbergs Sausgruber und Neugebauer sägen mittlerweile ganz offen am Sessel des Parteichefs", meinte BZÖ-Generalsekretär Christian Ebner. (APA/red)