Zwei gute Gründe zum Feiern gab es zum Jahreswechsel für den Euro: Die Währungsunion ist mit Estland auf 17 Mitglieder gewachsen und hat das schlimmste Jahr seit ihrer Gründung relativ unbeschadet überstanden. In vieler Hinsicht steht Europas ehrgeiziges Projekt heute besser da als vor einem Jahr: Unter akuter Bedrohung haben die Eurostaaten jene politischen Mechanismen ins Leben gerufen, die zum Funktionieren eines integrierten europäischen Finanzmarktes notwendig sind.

In nur wenigen Monaten wurde die fatale Kopf-in-den-Sand-Politik des vergangenen Jahrzehnts - als jedes Euroland eine eigene Wirtschaftspolitik betrieb und niemand gegenseitige Solidarität einforderte - beendet und durch jene mühsame Suche nach politischen Kompromissen ersetzt, die Europa selbst dann hilflos erscheinen lässt, wenn es entschlossene Schritte setzt. Der Euro mag zwar für viele immer noch als Krisenwährung gelten, aber der Schein trügt: Das Ärgste ist wahrscheinlich vorbei.

Der Beitritt Estlands ist nicht nur ein hoffnungsvolles Zeichen, dass der Euro für neue EU-Mitglieder immer noch attraktiv sein kann. Der Baltenstaat ist außerdem der fast perfekte Euro-Kandidat: eine kleine homogene Nation, die kaum Schulden gemacht hat und stets zu schmerzhaften Einschnitten bereit war, um die langfristigen Wachstumschancen zu verbessern. Estland wäre ein Lehrbeispiel für eine Strategie, wie die hochverschuldeten Euro-Südländer aus der Krise finden könnten.

Aber Griechenland und Portugal sind nicht Estland - und nicht einmal in Irland ist die Bereitschaft der Bevölkerung zu Einsparungen und Flexibilisierung so groß wie in vielen Oststaaten. Dazu kommt, dass die Fehler der Vergangenheit sich nicht so einfach rückgängig machen lassen. Sparpakete und Lohnkürzungen allein führen in einen Teufelskreis von Rezession und Deflation, der die private und öffentliche Schuldenlast noch weiter erhöht.

Deshalb wird es in den kommenden Jahren wohl zur Entschuldung einiger Eurostaaten kommen müssen, und deshalb bleiben deren Staatsanleihen für private Investoren höchst unattraktiv. Doch angesichts des riesigen Finanzbedarfs der Schuldnerstaaten wird irgendjemand diese Papiere erwerben müssen, und das werden letztlich die großen europäischen Banken sein, für die der Euro-Rettungsschirm eigentlich geschaffen wurde. Im Gegenzug werden die Renditen hoch bleiben, jedenfalls deutlich höher als vor der Krise. Das ist schmerzhaft für die Schuldner, aber unvermeidbar.

Eine wirklich saubere Lösung des Euro-Dilemmas ist nicht in Sicht, aber gerade deshalb ist die Fähigkeit zum Improvisieren, die von den Eurostaaten zuletzt demonstriert wurde, besonders nützlich. Mehrere Entwicklungen könnten weitere Erleichterungen bringen: eine Erholung in den USA oder eine steigende Nachfrage aus Deutschland, was die Handelsungleichgewichte in der Eurozone verringert. Und wenn es den Regierungen der Schuldnerstaaten trotz aller Proteste gelingt, ihre ehrgeizigen Reformen durchzuziehen, dann könnte auch dort neues Wachstum einsetzen.

Während der EMS-Krise von 1992/93 schien das Projekt Währungsunion bereits am Ende. Als die Turbulenzen überstanden waren, zweifelte niemand mehr an seinem Gelingen. Ebenso könnte auch diese Krise dem Gerede vom bevorstehenden Tod des Euro ein für allemal ein Ende bereiten - und Europa insgesamt stärker machen. (Eric Frey, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 3.1.2011)