Grafik: STANDARD

Bild nicht mehr verfügbar.

Werbeplakat des Forum Stadtpark in den 1960ern

Foto: Archiv

Ob man dabei die konkreten Sparvorschläge der freien Szene beherzigt, darf bezweifelt werden.

Graz - Kultur ist in der Steiermark fest im Alltag verankert. Besonders gilt das für die Landeshauptstadt Graz, wo jeder Fünfte an einer der vier Unis studiert. Hier wurden in den Sechzigern avantgardistische Impulse durch die Gründung des Forum Stadtpark (samt Literaturzeitschrift manuskripte) und nicht zuletzt durch das Mehrspartenfestival Steirischer Herbst ausgesandt. Auch das Festival für Alte Musik, die Styriarte, ist nach 25 Jahren alles andere als angestaubt. Auch als bewusste Opposition zu einem Klima, das von einer historisch starken Rechten in deutschnationalen Studentenverbindungen vergiftet wurde, entstanden intellektuelle, kreative und widerständige Zentren.

In der Kindergeneration der Forum-Altvorderen taten sich etwa im Bereich der zeitgenössischen Kunst Vereine wie Rotor - eine der ersten Drehscheiben für südosteuropäische bildende Kunst in Österreich - hervor sowie das größte freie Ensembletheater Österreichs, das Theater im Bahnhof oder die neuen Grazer Autoren von uniT wie Gerhild Steinbuch, Johannes Schrettle oder Jörg Albrecht.

Doch gerade kritische Kunst braucht einen Referenten, der hinter ihr steht und ihre Notwendigkeit für das Klima und den Diskurs in einem Land auch in Zeiten von Budgetnöten argumentieren kann. Seit Herbst ist der gelernte Betriebswirt Christian Buchmann als VP-Landesrat zurück in der Kulturpolitik. Buchmann hatte schon von 2003 - dem Jahr, als Graz nicht zuletzt wegen erwähnter Institutionen Kulturhauptstadt Europas war - bis 2005 ein Gastspiel als Grazer Kulturstadtrat. 2010 sorgte er zum Einstand gleich mit der Aussage, wonach man sich "keine zusätzlichen warmen Stuben" leisten werde, für Empörung bei seiner Klientel. Vor allem manuskripte-Herausgeber Alfred Kolleritsch machte sich in Interviews Luft. Buchmann fühlte sich unverstanden.

Und nun soll Buchmann, der auch Wirtschaftslandesrat ist, jene Vorgabe umsetzen, die Finanzlandesrätin Bettina Vollath (SPÖ) für alle Ressorts ausgab: Ein Viertel des Budgets muss gestrichen werden. Bei Buchmann sind das 15 Millionen. Wo diese übrigbleiben sollen, ohne einen befürchteten Kahlschlag vorzunehmen, darauf muss er sich nicht vor März festlegen. Nicht einmal bestehende Verträge werden mit Sicherheit unangetastet bleiben.

Nun herrscht also Zittern von Oberzeiring, wo die Theo Studiobühne die Obersteiermark mit hochwertigem Theater versorgt, bis hinunter ins weststeirische Wies, wo der "Kürbis" Musik, Literatur und Theater in der Peripherie produziert - vor allem aber in Graz. Hier gibt es neben der Theaterholding und dem Universalmuseum Joanneum, das heuer das neue Museumsviertel eröffnet, auch eine freie Szene, die proportional zur Einwohnerzahl dichter ist als jene in Wien. Herbst-Intendantin Veronica Kaup-Hasler übernahm das Festival bereits mit einem Sparbudget, das durch zahlreiche Kooperationen nach wie vor indirekt auch in die freie Szene fließt. Da der Bund dem Herbst eine mehrjährige Finanzierung zugesichert hat, hofft man nun auch auf das Land.

Als sicher gilt derzeit nur die Förderzusage für das Filmfestival Diagonale, da es schon im März stattfindet. Buchmann sagt, er wolle gerecht und "nicht mit dem Rasenmäher" sparen. Dass er dabei einen "Solidaritätsbeitrag" auch von den Kleinen fordert, kritisieren Grüne und KPÖ im Landtag. Man solle lieber die 20 Millionen "Steuergeschenke an die Glücksspielindustrie" (das kleine Glückspiel ist in der Steiermark steuerlich privilegiert) für die Kultur sparen, fordert KP-Klubchefin Claudia Klimt-Weithaler, statt "zynisch von Solidarität" zu reden.

Anita Hofer, Sprecherin der IG Kultur, bringt im Standard-Gespräch noch anderes Geld ins Spiel: Um zwei Millionen leistet sich das Land die Kultur Service Gesellschaft (KSG), an deren Sinn hinter vorgehaltener Hand fast die ganze Szene zweifelt. Hofer spricht das aus: "Wofür ist das Geld, außer für Selbstrepräsentationszwecke des jeweiligen Kulturlandesrats?" Hofer, die betont, dass Kultur allein in Graz 1800 Arbeitsplätze stellt, erinnert zudem an jene 30 Prozent der ORF-Abgaben, die laut dem Steiermärkischen Rundfunkabgabegesetz Kultur fördern sollten: "Keiner weiß, wohin das Geld geht."

Doch anstatt gemeinsam neue Töpfe auch in der EU zu suchen, schaue jeder nur auf sich selbst - so Hofers trauriger Befund: "Der Kulturkampf hat längst begonnen. Buchmann war kaum da, da haben die meisten Termine bei ihm gemacht, um für sich das Beste auszuhandeln." (Colette M. Schmidt / DER STANDARD, Printausgabe, 3.1.2011)