Wien - Die Causa Meinl European Land (MEL, heute Atrium Real Estate) beschäftigt hierzulande nicht nur die Straf-, sondern auch die Zivilgerichte. Tausende Anleger haben die Meinl Bank vor den Kadi gezerrt. Der - vom Geldhaus vehement bestrittene - Vorwurf ist meist derselbe: Man sei durch die MEL-Werbung in die Irre geführt worden. Zwar will sich die Meinl Bank möglichst viele Klagen durch Vergleiche vom Hals schaffen, ein Ende der Prozesse ist dennoch nicht in Sicht. "Bis zum Sommer gibt es eine riesige Welle von Verhandlungsterminen", berichtete Anwalt Michael Poduschka, der rund 900 MEL-Anleger vertritt.

Er kann nicht verstehen, warum die Meinl Bank seinen Klienten nicht einfach höhere Vergleichsquoten anbietet. Selbst in Verfahren, wo eindeutig ein Irrtum ausgemacht werden könne oder das Gericht einen solchen bereits festgestellt habe, sei die Meinl Bank lediglich bereit, den Anlegern 35 Prozent ihrer Verluste auszugleichen. Dass diese Quote "apodiktisch in Stein gemeißelt ist", sorgt bei Poduschka aus zweierlei Gründen für Kopfschütteln: Erstens habe der Oberste Gerichtshof (OGH) gleich in zwei Fällen bestätigt, dass die Meinl Bank Anleger mit ihrer Werbebroschüre in die Irre geführt hat. Zweitens habe man "einer großen Gruppe von Österreichern" bereits eine Quote von 70 Prozent geboten.

Die Meinl Bank hat ja mit der Arbeiterkammer (AK) und zwei Anwaltskanzleien ein Vergleichsangebot für rund 4.400 mutmaßliche MEL-Geschädigte ausgehandelt, wobei knapp 2.000 AK-Mitglieder, die weniger als 10.000 Euro (oder Ehepaare weniger als 20.000 Euro) investiert haben, 70 Prozent bekommen sollen.

Welche Quote Poduschka akzeptieren würde? "Die Meinl Bank hat sich selbst die Latte sachgerecht auf 70 Prozent gelegt. Die von mir vertretenen Anleger würden es nicht verstehen, wenn die Bank nun plötzlich ohne erkennbaren Grund weniger bietet."

Meinl Bank wehrt sich

Die Meinl Bank kann die Kritik des oberösterreichischen Anwalts Poduschka wegen der aus seiner Sicht zu geringen Vergleichsquoten "nicht nachvollziehen, weil wir die einzigen sind, die auf die Wirtschaftskrise mit einer gewissen sozialen Verantwortung reagiert haben", sagte ein Banksprecher am Dienstagnachmittag. Immerhin habe man bereits mit 3.353 MEL-Anlegern, die gegen das Kreditinstitut vor Gericht gezogen sind, Vergleiche geschlossen. "Das entspricht rund 15 Mio. Euro."

Im Übrigen sei man "in guten Gesprächen mit anderen Anwälten" und "sehr guter Dinge, dass wir in nächste Zeit einige Vergleiche abschließen." Laut früheren Angaben will sich die mit abertausenden Anlegerklagen konfrontierte Meinl Bank mit bis zu 7.000 Anlegern vergleichen und dafür insgesamt rund 30 Mio. Euro springen lassen.

Zu den angebotenen Quoten wollte sich der Sprecher nicht konkret äußern. Nur so viel: "Unser Ziel ist es, faire Vergleich zu finden." Auf keinen Fall sei die Bank zu einem "Aktienkauf auf Probe" bereit, hieß es einmal mehr. Eine Quote von 70 Prozent sei nur "schweren Härtefällen" angeboten worden, also Arbeiterkammer-Mitgliedern, die weniger als 10.000 Euro in MEL-Papiere investiert haben.

Belastung für Gerichte

Rund 350 von Poduschkas MEL-Klienten sind wegen Irrtums vor Gericht gezogen. Nach den beiden OGH-Urteilen sei die Rechtsfrage klar, von daher sei es nicht nachvollziehbar, warum diese Fälle alle ausjudiziert werden sollen. "Das führt zu einer extrem unnötigen Belastung der Gerichte", meinte der oberösterreichische Rechtsvertreter. Vor allem bei Streitwerten unter 10.000 Euro, mit denen sich das Bezirksgericht für Handelssachen (BGHS) herumschlagen muss, sei "das Verhältnis zwischen Kapital und Kosten ein Wahnsinn".

Vor dem Handelsgericht (HG) Wien hat Poduschka schon mehr als ein Dutzend Mal erstinstanzlich Recht bekommen, Ende Dezember sind drei weitere - ebenfalls nicht rechtskräftige - Urteile zugunsten von MEL-Anlegern eingetrudelt. Die Richtersprüche lesen sich alle ähnlich: In einem Entscheid vom 27. Dezember 2010 heißt es etwa: "Die Vorstellung der Kläger, hier ein Papier zu erwerben, bei dem das allgemeine Aktienrisiko nur in einem wesentlich vermindertem Maße vorhanden sei, und dennoch gute Ertragschancen bestünden, wird durch den Inhalt der Broschüre (MEL-Prospekt, Anm.) hervorgerufen." Auch in einem anderen Fall gestand die Richterin einem Kläger zu, einem Geschäftsirrtum unterlegen zu sein, "weil er aufgrund des Verkaufsprospekts der Beklagten zur Ansicht gelangte, dass das von ihm erworbene Wertpapier kein Risiko eines Kursverlustes beinhaltete." Der Prospekt verschweige "das Risiko der wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen in den Staaten des ehemaligen Ostblocks", setze "die Investitionen in Wertpapiere der Gesellschaft in irreführender Weise mit der Investition unmittelbar in Immobilien" gleich und unterstelle "eine größere Sicherheit als bei der Veranlagung in andere Aktien", heißt es in dem Urteil vom 6. Dezember, das der APA vorliegt.

Jene MEL-Anleger, die vor Gericht eine Irrtumsanfechtung geltend gemacht haben, haben laut Poduschka die größten Erfolgsaussichten. Die zweitbesten Chancen hätte MEL-Investoren, die wegen Schadenersatzes aus dem Vertrag mit der Meinl Bank geklagt haben, also ihre Papiere direkt bei der Meinl Bank gekauft haben, aber die dreijährige Frist für die Irrtumsanfechtung versäumt haben. Anleger, die sich auf "deliktische Anspruchsgrundlagen" - vor allem Strafrecht - stützen, müssen wohl noch länger zittern: "Wir haben die Verfahren ruhend gestellt, weil wir auf ein Gutachten oder Vorgutachten des Sachverständigen Fritz Kleiner im Strafverfahren warten", so Poduschka. (APA)