Wien - Mit fast zweijähriger Verspätung und nach mehrmaliger Verschiebung sollen demnächst die Verhandlungen über ein neues Lehrer-Dienstrecht starten. Einen konkreten Termin für die erste Runde gibt es zwar noch nicht - die Arbeitnehmervertreter gehen jedoch von einem Zeitpunkt Ende Jänner aus. Ungewöhnlich wird jedenfalls die Zusammensetzung der Verhandler sein: Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) hat wiederholt dafür plädiert, dass Kanzleramt und Finanzministerium mit am Tisch sitzen - offenbar eine Reaktion auf den Konflikt um eine längere Unterrichtsverpflichtung im Jahr 2009, als sich Schmied von Kanzler und Finanzminister zu wenig unterstützt fühlte.

Schmied für Abflachung der Verdienstkurve

Schmied hat zuletzt als Eckpunkte der Verhandlungen wiederholt höhere Einstiegsgehälter bei einer späteren Abflachung der Verdienstkurve, ein neues Arbeitszeitmodell mit stärkerer Berücksichtigung der ganztägigen Schule - sprich längere Anwesenheit an der Schule - sowie ein verstärktes Mitspracherecht der Direktoren bei der Lehrerauswahl genannt. Gelten soll das neue Dienstrecht primär für neu eintretende Lehrer.

Lehrer verwundert über Zusammensetzung des Verhandlungsteams

Etwas verwundert zeigen sich die Lehrer-Gewerkschafter über die Zusammensetzung der Verhandler: "Bisher war es Usus, dass Lehrer-Angelegenheiten zunächst zwischen Unterrichtsministerium und Lehrergewerkschaften auf einen gemeinsamen Nenner gebracht wurden und man erst dann gemeinsam zu Kanzleramt und Finanzministerium gegangen ist", so der Vorsitzende der Pflichtschullehrer-Gewerkschaft, Walter Riegler. Die neue Vorgangsweise "wird es nicht leichter machen", meinte Riegler. Die Lehrer selbst würden vorerst allein verhandeln - im Fall des Falles werde man sich aber sicher auch die entsprechende Unterstützung von der Gesamt-GÖD holen, so Riegler und sein AHS-Kollege Eckehard Quin unisono.

Gewerkschafter würden System Frage gerne vorher beantwortet wissen

Beide Gewerkschafter vermissen vor Verhandlungsbeginn noch wichtige Weichenstellungen für die Zukunft. So wäre es etwa sinnvoll, zunächst den Streit um die Zuständigkeit für die Lehrer zu klären und die Frage des künftigen Schulsystems zu lösen, so Riegler. "Wollen wir eine gemeinsame Schule oder ein differenziertes Schulwesen? Solange das nicht geklärt ist, tut man sich schwer, ein Dienstrecht zu basteln." Quin wiederum findet es "schwierig, über ein neues Dienstrecht zu verhandeln, wenn nicht klar ist, wie die künftige Ausbildung überhaupt aussieht, weil das hängt ja zusammen".

Skepsis über längere Anwesenheitspflicht

Skeptisch sind Quin und Riegler bezüglich einer längeren Anwesenheitspflicht für Lehrer. "Im Augenblick sieht es so aus, dass man uns anordnen will, morgen schon die Brücke über einen Fluss zu überqueren, die noch gar nicht gebaut ist", so Riegler. "Man schwafelt immer wieder davon, dass Arbeitsplätze an den Schulen geschaffen werden und der Lehrer nichts mehr daheim tun muss, wenn er um fünf nach Hause geht." Nur gebe es von den finanziell angeschlagenen Gemeinden als Schulerhalter im Pflichtschulbereich noch überhaupt keinen Plan, wann diese Arbeitsplätze entstehen sollten. Selbst an den rund 1.000 Bundesschulen sollen erst bis 2019 an nur 260 Standorten solche Arbeitsplätze geschaffen werden. "Es kann sicher nicht sein, dass der Lehrer eine Turnstunde hält und gleichzeitig im Eck sitzt und Hefte verbessert", meinte Riegler. Im Moment laufe es darauf hinaus, dass man offenbar die Lehrer dazu bringen wolle, länger da zu sein, ihnen diese Zusatzstunden aber nicht abgelten wolle.

"Reale Arbeitsbedingungen berücksichtigen"

Quin will zwar Änderungen bei der Arbeitszeit nicht ausschließen: "Auch da kann man über vieles reden." Aber derzeit stimmten die Bedingungen dafür einfach nicht. "Ich lade jeden ein, einmal eine AHS zu besuchen. Nicht einmal ein Quadratmeter Tisch plus ein Kasterl, das kleiner ist als mein Nachtkasterl. Da kann man nicht erwarten, dass Akademiker dort sinnvolle Arbeit leisten." Am Reißbrett könne man natürlich immer eine Schule von acht bis 17 Uhr entwerfen - "aber man muss schon auch reale Arbeitsbedingungen berücksichtigen". Unter den gegebenen Verhältnissen sei eine Ausweitung der Anwesenheit kaum möglich.

Pragmatisierung für Riegler nicht unbedingt notwendig

Beim Thema Pragmatisierung plädiert Riegler für ein System, "das den Lehrer sicher macht, dass er frei ist in seiner Notengebung". Das müsse nicht unbedingt Pragmatisierung heißen: "Jemanden aber komplett schutzlos zu lassen, halte ich nicht für sinnvoll." Der Lehrer müsse sicher sein, dass seine berufliche Laufbahn nicht davon abhänge, welche Noten er gebe.

Kein Problem hat Quin mit einer stärkeren Mitsprache der Direktoren bei der Lehrerauswahl. Volle Personalautonomie für die Schulen sei aber nicht sinnvoll und auch von den Direktoren nicht gewollt. Gerade in Fächern mit Lehrermangel brauche es eine zumindest regionale Steuerung durch den Landesschulrat. "Wie soll sonst ein Schulleiter in einer unbeliebten Gegend einen Physiklehrer finden? Man wird ja nicht der Schule das doppelte Budget dafür geben, wobei mir das als Gewerkschafter ja sogar gefallen könnte." (APA)