Grafik: DER STANDARD

Die Jahresinflation ist im Dezember auf 2,2 Prozent gestiegen. Damit sind die Preise stärker gestiegen als von der EZB gewünscht. Doch ein Teil der Teuerung ist auf Einmaleffekte zurückzuführen, geben Ökonomen Entwarnung.

Wien – Die Inflation ist zurück. Jedenfalls ist die Jahresinflationsrate für den Euroraum wieder so hoch wie zuletzt im Oktober 2008, ein Monat nach dem Kollaps der US-Bank Lehman Brothers. 2,2 Prozent sind die Verbraucherpreise im Jahresvergleich bis Dezember 2010 gestiegen, im November waren es nur 1,9 Prozent. Von Reuters befragte Ökonomen hatten mit einer Teuerungsrate von zwei Prozent gerechnet.

Damit ist die Preisentwicklung erstmals seit mehr als zwei Jahren über der von der Europäischen Zentralbank (EZB) anvisierten Zielinflation von "nahe, aber unter zwei Prozent". Ökonomen führen die gestiegene Inflation erneut auf die Entwicklung der Energiepreise zurück. Clemente de Lucia, Ökonom bei BNP Paribas, betont, dass die Ölpreise zwischen November und Dezember um sieben Euro je Barrel gestiegen sind. Die Kerninflation (ohne Nahrungsmittel- und Energiepreise) dürfte daher nur von 1,1 auf 1,2 Prozent steigen, rechnet Christoph Weil, Ökonom bei der Commerzbank.

"Wir rechnen damit, dass sich die Inflation auf diesem Niveau stabilisieren wird", so Weil. Doch alles hänge vom Ölpreis ab. Steigt der Ölpreis über 110 Dollar je Barrel, so würde die Inflation noch steigen können. Derzeit steht ein Fass Rohöl bei knapp 90 Dollar.

Ähnlich sehen das die Ökonomen der britischen Bank HSBC für die asiatischen Länder: Das Inflationsproblem sei "handhabbar", solange der Preis für Rohöl nicht über 110 Dollar je Barrel steigt.

"Deutschland zieht davon"

Doch Ökonomen rechnen nicht damit, dass die EZB, obwohl die Inflation über zwei Prozent gestiegen ist, reagieren wird. Denn ein Teil der Teuerung sei auf die Steuererhöhungen in der Eurozone zurückzuführen ist, so Weil. Ohne diese würde die Teuerung "einige Zehntel weniger" betragen.

Auch Fabio Fois, Ökonom von Barclays Capital, glaubt etwa nicht an einen nachhaltigen Inflationsdruck. "Abgesehen von Deutschland sind die Arbeitsmärkte der Eurozone unter einem großen Stress," so Fois. Das dürfte den privaten Konsum und damit auch den Inflationsdruck niedrig halten. Die Zentralbank dürfte daher erst 2012 an der Zinsschraube drehen.

Commerzbank-Ökonom Weil fügt einen weiteren Grund für eine passive EZB an. Der Aufschwung und damit die Inflationsentwicklung sei in der Eurozone sehr ungleich. "Die Peripherie krebst dahin, Deutschland aber zieht davon", so Weil. Die Notenbank würde die verschuldeten Eurostaaten mit Zinsschritten belasten. Denn die Kapazitätslücke in der Euro-Peripherie wächst: Volkswirtschaften wie Spanien produzieren weniger, als sie technisch könnten. Diese niedrige Produktionsauslastung verhindert Engpässe und damit Inflationsdruck. Trotz der gestiegenen Teuerung dürfte die EZB daher die Leitzins-Waffe im Holster lassen. (Lukas Sustala, DER STANDARD, Printausgabe, 5.1.2011)