Seminararbeiten und Diplomarbeiten kommen nicht immer im Sinne der wissenschaftlichen Sorgfalt zustande. Wie sie Diplomarbeiten verfasste, ohne die Fächer jemals studiert zu haben erzählt die Ghostwriterin Heike Faber* im derStandard.at -Interview.
derStandard.at: Sie waren als Ghostwriterin im akademischen Bereich tätig. Welche Arbeiten aus welchen Fächern haben Sie verfasst?
Faber: Wenn es darum geht, wie viele Arbeiten ich von A bis Z geschrieben habe, dann sind es vier, wobei der gesamte geistige Input bei einer davon von mir stammt und bei den restlichen drei von meinen Auftraggebern. Bei anderen Arbeiten habe ich einzelne Kapitel geschrieben, oder auch teilweise die Arbeit umformuliert, den Text "verflüssigt" und zwar in den Fächern Germanistik, Anglistik und Pädagogik.
derStandard.at: Wie viel Geld springt durchschnittlich für einen solchen Auftrag heraus?
Faber: Zum Abcashen fehlt mir die Ader – Geld sprang, so ich überhaupt welches verlangte, eher wenig raus. Ich hätte das Ganze groß aufziehen können, Anfragen hatte ich genug, aus vielen verschiedenen Fachbereichen. Es war mir aber zu zeitaufwändig und ich wollte in der Branche nicht Fuß fassen oder gar haften bleiben. Deshalb habe ich Vieles nicht genommen und den Fall der Dominosteine so gebremst.
Beim Korrigieren, Lektorieren und Ghostwriting im Belletristik-Bereich verlange ich natürlich den üblichen "Tarif". Das ist etwas Anderes, ein Geschäft mit solventen Auftraggebern und nicht mit Studenten, die meist ohnehin kein Geld haben. Für das Korrigieren und Lektorieren verlange ich von Studenten sehr moderate Preise – da komme ich, wenn ich den Stundenlohn ausrechne auf zirka drei Euro. Manchmal korrigiere ich auch für einen Gefallen – zum Beispiel Fensterputzen.
derStandard.at: Welche Noten wurden bisher für Ihre Diplomarbeiten vergeben? Garantieren Sie gute Noten? Oder kostet ein Einser mehr als ein Zweier?
Faber: Ich garantiere grundsätzlich gar nichts – ob die Auftraggeber eine gute oder schlechte beziehungsweise überhaupt eine Note bekommen, kümmert mich eigentlich nicht, da ich auch niemandem anrate, diese "Werke" abzugeben. Ich weiß von einem Einser und einem Zweier, mehr leider nicht.
derStandard.at: Sie haben die Fächer für die Sie Diplomarbeiten verfassen, nicht selbst studiert. Ist das nicht ein Problem?
Faber: Ganz und gar nicht – ich bin mit und in diesem "Bildungsballast" aufgewachsen und habe schon im Alter von fünf Jahren Goethe im Kindergarten zitiert und in der Nationalbibliothek die Angestellten auf Trab gehalten. Ich lese viel, habe mich autodidaktisch in vielen Fächern schlau gemacht und besuche seit Jahren Vorlesungen, die mich interessieren. Natürlich beschränke ich mich nicht auf ein einziges Fach dabei. Manchmal staune ich, was Akademiker alles nicht wissen.
derStandard.at: Wird die ethische Frage mit ihren Auftraggebern diskutiert? Oder anders gefragt: Haben diese zwischendurch auch einmal ein schlechtes Gewissen deshalb, oder Angst, aufzufliegen?
Faber: Das Gewissen meiner Auftraggeber entzieht sich meiner Kenntnis, das diskutiere ich auch nicht. Ich möchte eigentlich nicht wissen, was meine Auftraggeber tatsächlich mit diesen Arbeiten anfangen und sage das auch sehr deutlich!
derStandard.at: Wie lange haben Sie an einer Diplomarbeit gearbeitet?
Faber: Das kam ganz darauf an, wie schnell ich mich in ein Thema einarbeiten konnte, ob es mein Gebiet war oder ob ich es mir erst erarbeiten musste. Auch kam es darauf an, welcher Umfang eine Arbeit haben sollte.
derStandard.at: Plagiate sind in der Wissenschaft verpönt und verboten. Wie stehen Sie selbst dazu?
Faber: Ein Plagiat ist Diebstahl geistigen Eigentums – das sehe ich auch so.
derStandard.at: Dass sich jemand mit falschen, nämlich Ihren Federn schmückt, stört sie nicht? Eigentlich ist das ja trotzdem Ihr geistiges Eigentum?
Faber: Ich sehe das eigentlich nicht so. Denn es ist geistiges Eigentum meiner Auftraggeber in die richtige Form gebracht, also ihr geistiges Eigentum von mir geordnet, verständlich zu Papier gebracht. Ganz ehrlich: Ich bin froh, dass darunter nicht mein Name steht, denn der große schriftstellerische Wurf sind sie alle miteinander nicht. Ich sehe sie allesamt nicht als meine Kinder an.
derStandard.at: Wie finden Sie Ihre Auftraggeber? Oder wie finden Ihre Auftraggeber Sie?
Faber: Ich habe zwei Freundinnen, die Schriftstellerinnen sind – Belletristik – und da gab es ab und zu einmal etwas zu arbeiten. Das hörte eine andere Freundin, die an der Bodenkultur studierte und mit ihrer Arbeit nicht weiter kam. Also fragte sie mich um Hilfe, ich legte Hand an. Damals bekam ich als "Bezahlung" ein Portrait meiner Katze. So ging es mit Mundpropaganda weiter. (Katrin Burgstaller, derStandard.at, 4. Jänner 2011)