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"Bahn fahren, Nerven sparen" war früher einmal das Motto der ÖBB. Heute gilt das nicht mehr uneingeschränkt, da werden die Nerven der Kunden strapaziert

Foto: APA/Hochmuth

Wien - Zugreisende könnten bei der Rückreise aus den Weihnachtsferien eine böse Überraschung erleben. ÖBB-Rückfahrtickets gelten nämlich neuerdings nicht mehr einen Monat lang, sondern nur mehr zwei Tage. Wer also nicht an einem bestimmten, bei der Abreise ausgewählten Tag die Rückreise antritt, sondern zwei Tage früher oder drei Tage später, muss ein neues Rückfahrticket kaufen. Das Geld für den verpassten Tag bekommen die Passagiere nicht zurück.

"Systematischer Missbrauch"

Im ÖBB-Personenverkehr begründet man die über Nacht (und ohne Extra-Ankündigung) mit dem Winterfahrplan im Dezember eingeführte Änderung mit "systematischem Missbrauch", der bei Tickets mit Online-Buchungen möglich gewesen sei. Wurden diese Tickets nicht entwertet, hätten Fahrgäste mit einem Ticket beliebig oft fahren können. Daher sei diese Hin- und Rückfahrbeschränkung keine Schikane, sondern notwendig im Sinne der Fairness gegenüber voll zahlenden Fahrgästen. Außerdem sei das international so üblich. Darüber hinaus sei es dem Fahrgast zumutbar, das Datum seiner Rückfahrt auf zwei Tage einzugrenzen. Da ein Rückfahrticket genauso viel koste wie eine Einzelfahrt, entstehe ihm im Übrigen kein Nachteil, wenn er erst vor Fahrtantritt ein Ticket kaufe, betont man bei der ÖBB.

Das stimmt nur bedingt. Denn bei ÖBB-Ticketautomaten bilden sich häufig Warteschlangen. Der Fahrgast muss also mehr Zeit für den Fahrkartenkauf einkalkulieren, zumal die Fahrkartenschalter meist dünn oder gar nicht besetzt sind und der Ticketverkauf in Regionalzügen ganz abgeschafft wurde.

"Miese Abzocke"

Dass die Maßnahme der Geldbeschaffung diene, weil Tickets doppelt gekauft werden müssen, stellt man in der ÖBB-Pressestelle in Abrede. Fahrgäste und Fahrgastvertreter nennen die Umstellung freilich "miese Abzocke" und "Kundenvertreibungsaktion". Bei 33 Millionen Fahrgästen pro Jahr im Fernverkehr dürfte freilich doch ein nettes Körberlgeld zusammenkommen. Nur bedingt zieht auch das Argument, die Bahn könne sich so besser auf das Fahrgastaufkommen einstellen und verstopfte Züge vermeiden, denn mit dem Rückfahrdatum ist keinerlei Reservierung oder Sitzplatzgarantie verbunden. Und überfüllt - manche Lokführer drohten sogar mit der behördlichen Räumung von Zügen, weil die Türen nicht mehr zu schließen waren, der Standard berichtete - waren die Züge zu Weihnachten trotzdem.

Was offiziell niemand zugibt: Innerhalb der ÖBB-Führung sorgt das Vorgehen der ÖBB-Personenverkehr-AG für schwere Zerwürfnisse. ÖBB-Holding-Chef Christian Kern habe die Neuerungen als inferior kritisiert und von Vorstandsdirektorin Gabriele Lutter Konsequenzen gefordert. Laut Insidern wird bereits nach dem "Erfinder" der neuen Tarifierung gefahndet. Beschleunigen dürfte dies den Abgang einiger Führungskräfte der zweiten Reihe. Sie werden, wie berichtet, derzeit einem Appraisal unterzogen, also einer Beurteilung und Bewertung hinsichtlich ihrer Qualifikation und Performance. (Luise Ungerboeck, DER STANDARD Printausgabe, 5.1.2011)

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