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Dilma Rousseff mit Boiko Borissov

Foto: AP/Eraldo Peres
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Dilma - ein Name, eine Vision. Seit dem 1. Jänner ist Bulgarien zu einer weltpolitischen, Kontinente umspannenden Kraft aufgestiegen. Mit der Amtsübernahme von Dilma Rousseff in Brasilien regieren nun praktisch zwei Bulgaren auf dem Erdenrund. Die Tochter des Einwanderers Pedro Rousseff alias Petar Rusev führt das fünftgrößte Land der Welt, Boiko Borissov zwar nur die Nummer 104. Aber ohne Bulgarien, das 254mal in Brasilien passt, gäbe es eben keine Dilma und keine neue Staatschefin.

Ungefähr das war auch die Botschaft, die Bulgariens Premier Borissov zur Feier der Amtseinführung nach Brasilia mitbrachte. Samt Familienstammbaum aus Gabrovo, der Heimatstadt von Pedro, sorgfältig erarbeitet von Krasimira Tscholakova, der Kuratorin des dortigen Museums, und Rusi Stefanov, einem lokalen Historiker.

Dilma Rousseffs Stammbaum ist laut Kuratorin auf Papier gebracht einen Kilometer lang, weil bis ins Jahr 1630 zurück verfolgbar. Aus verständlichen Gründen orderte der Regierungschef für seine Reise nach Brasilien eine kürzere Version, packte dafür aber noch ein Porträt ein, das Dilmas Tante Vana zeigt, eine 1948 verstorbene Künstlerin. Dilma Rousseff führt die Tante als Mittelnamen. Der Begegnung mit dem bulgarischen Premier, der sich heute als Kommunistenfresser präsentiert, fehlte es nicht an Ironie. Schließlich war Dilma lange eine stramme Marxistin. Rousseffs Wahlsieg im vergangenen November hat jedoch viele im Balkanstaat begeistert. Man ist stolz, dass es die Tochter eines Einwanderers so weit gebracht hat, wertet es als aber gleichzeitig als weiteren Beleg für die Trostlosigkeit der bulgarischen Verhältnisse. Im Sudern haben es die Bulgaren zu einer gewissen Meisterschaft gebracht. Der Kommentar eines Lesers zu einem Rousseff-Artikel in der größten bulgarischen Tageszeitung Trud macht das deutlich.

Der user „9-8-7 Millionen Mäuse" schreibt dort: „Mit den Russen sind wir Brüder, mit den Amerikanern die besten Freunde, mit den Deutschen waren wir immer im Verliererteam, die Türken sind unsere besten Nachbarn, für die Juden sind wir die größten Retter, und jetzt haben wir auch noch Beziehungen zu Brasilien. Aber ich frage mich, warum es bei uns am Schlechtesten in der Welt ist."

Internetposter „Balkanbewohner" hat die Antwort: „Weil wir nach den Juden die Intelligentesten sind, die am härtesten Arbeitenden nach den Japanern, weil wir technisch wahnsinnig begabt sind, unsere Politiker die Creme der Nation sind und unsere Richter keine Schmiergelder annehmen."

Da fügt es sich gut, dass Gabrovo - die virtuelle Heimat von Dilma Rousseff, ziemlich in der Mitte Bulgariens - natürlich nicht irgendeine Kleinstadt ist, sondern als Epizentrum des bulgarischen Humors gilt. Dem Vorwort von Spas Gerkov in dem Standardwerk Габровские Уловки (Sofia Press 1978) entnehmen wir, dass die Gabrover „gerne lachen und gerne über sich selbst lachen". Ihr Wesenszug ist der Geiz.

Der bulgarische Witz zeichnet sich dabei - zumindest aus westeuropäischer Sicht - durch einen bemerkenswerten Mangel an Pointen aus. Eine Kostprobe aus dem wertvollen Gabrovo-Buch: „Ein paar Freunde treffen sich zum Kartenspielen in einem Haus. Die Mittagszeit naht, und der „Gastgeber" - bemüht, einen Schlussstrich zu ziehen - erklärt der Runde: 'Es ist Zeit, dass jeder zum Mittagessen nach Hause geht.'" Die Komik ergibt sich daraus, dass es für einen Bulgaren, der nicht aus Gabrovo kommt, völlig undenkbar ist, seine Gäste unbewirtet nach Hause zu schicken; der berechnende Westeuropäer findet das natürlich weniger lächerlich.

Dilmas Vater Pedro/Petar soll 1929 aus Gabrovo nach Brasilien geflüchtet sein, weil er Kommunist war (Version 1) oder weil er einen Haufen Schulden hatte (Version 2). In Brasilien heiratete er Dilma Coimbra Silva und starb, als seine Tochter Dilma 15 war. Die neue brasilianische Präsidentin spricht deshalb kein Bulgarisch. Aber nach Gabrovo will Dilma Rousseff kommen, so hat sie versprochen.