Wien/Wiener Neustadt - Neuerliche Aufregung um Justizministerin Claudia Bandion-Ortner (ÖVP). Die Vorgangsweise des Ministeriums hat dazu geführt, dass die Präsidentenstelle am Landesgericht Wiener Neustadt seit Jahresbeginn unbesetzt ist. Der bisherige Amtsinhaber Rudolf Masicek ist mit 31. Dezember in den Ruhestand getreten. Bandion-Ortners nicht unumstrittener Nachbesetzungsvorschlag - in formaler Hinsicht ist der Nachfolger auf ihren Vorschlag hin vom Bundespräsidenten zu ernennen - wurde derart verspätet in der Kanzlei von Heinz Fischer eingereicht, dass dieser sich bisher außer Stande sah, die Personalia mit seiner Unterschrift zu besiegeln.

Hofburg: "Akt bedarf genauer Prüfung"

"So etwas wird bei uns nicht einfach durchgewunken", erläuterte dazu Bruno Aigner, der Sprecher des Bundespräsidenten. Der Akt sei ohne jedwede Begründung erst am 22. Dezember eingelangt, "was sehr spät ist, noch dazu wenn man weiß, dass der Bundespräsident zu Jahresende sehr viele Akten zu erledigen hat". Andere Ministerien würden ähnliche Unterlagen üblicherweise vier bis fünf Wochen vorher dem Bundespräsidenten vorlegen.

Fischer war nicht bereit, Bandion-Ortners Wunsch in kürzester Zeit abzusegnen. "Dieser Akt bedarf einer genauen Prüfung. Wenn die Prüfung in Ordnung ist, wird der Bundespräsident unterschreiben", stellte dazu Aigner fest.

Wiener Neustädter Gericht ohne Präsident

Damit steht das Wiener Neustädter Gericht bis auf weiteres ohne Präsidenten da, was bei den Betroffenen nicht gerade für Begeisterung sorgt. "Aus unserer Sicht wäre es natürlich wünschenswert, wenn das übergangslos nachbesetzt worden wäre", bemerkte Gerichtssprecher Hans Barwitzius.

Das Ganze ist insofern brisant, als Bandion-Ortner dem Vernehmen nach die bisherige Präsidentin des Landesgerichts Krems, Ingeborg Kristen, auf den Wiener Neustädter Präsidentensessel hieven möchte. Seit längerem wird Bandion-Ortner Interesse an der in diesem Fall freiwerdenden Präsidentenstelle in Krems nachgesagt, sollte sie als Justizministerin zurücktreten müssen. Diesbezügliche Gerüchte wurden von Bandion-Ortner zuletzt entschieden zurückgewiesen. Auch die ÖVP dementierte Spekulationen über die angeblich bevorstehende Ablöse der Ministerin, die sich verstärkt hatten, nachdem der Oberste Gerichtshof (OGH) die erstinstanzlichen Urteile der ehemaligen BAWAG-Richterin und von Vizekanzler Josef Pröll (ÖVP) ins Palais Trautson geholten Ministerin kurz vor Weihnachten "zerzaust" und wegen erheblicher Feststellungsmängel in weiten Teilen aufgehoben hatte.

Verspäteter Nachbesetzungsvorschlag kein Zufall?

In diesem Zusammenhang fällt auf, dass Bandion-Ortners Nachbesetzungsvorschlag just an jenem Tag den Bundespräsidenten erreichte, als der OGH das Rechtsmittelverfahren gegen Ex-BAWAG-Generaldirektor Helmut Elsner & Co im Justizpalast eröffnete. Innerhalb der Justiz gibt es Stimmen, die das für keinen Zufall halten, zumal absehbar war, dass der OGH einige BAWAG-Urteile "kippen" würde, nachdem die Generalprokuratur diese in einem ausführlichen Rechtsgutachten scharf kritisiert hatte. Bandion-Ortner, heißt es in Justizkreisen, könnte sich deshalb auf Kristen festgelegt haben, um sich um das dann vakante Präsidentenamt in Krems bewerben zu können, sollte sie das mediale Gewitter nach der OGH-Entscheidung politisch nicht überstehen.

Neben der - fachlich zweifellos qualifizierten - Kristen hatte Josef Glatz, derzeit Vizepräsident am Wiener Neustädter Landesgericht, als aussichtsreichster Kandidat um die Präsidentenstelle in Wiener Neustadt gegolten. Während der Personalsenat des Wiener Oberlandesgerichts (OLG) bei der Beurteilung der Bewerber Kristen an die erste Stelle reihte, favorisierte der OGH Glatz. Die Justizministerin ist bei ihrer Entscheidungsfindung allerdings nicht daran gebunden. Fakt ist jedoch, dass Kristen für Wiener Neustadt keine Dauerlösung wäre, sollte der Bundespräsident sie verspätet zur Präsidentin küren: In bereits zwei Jahren steht ihre Pensionierung an. (APA)