Foto: STANDARD/Newald

Monatelang hat man diskutiert, nun hat sich die ÖVP auf ein Bildungskonzept für den Kindergarten, die Volksschule, die Sekundarstufe I und die Oberstufe geeinigt. Heute Vormittag wurde es auf einer Pressekonferenz von Parteichef Josef Pröll, Wissenschaftsministerin Beatrix Karl und Generalsekretär Fritz Kaltenegger präsentiert.

Es soll ein "Angebot an den Koalitionspartner" sein, so Pröll. Drei Prinzipien liegen dem Programm zu Grunde, führt der Vizekanzler aus: "Fördern und Fordern", "Vielfalt statt Zwang" und "Das Beste für jedes Kind und nicht das Gleiche für alle". Angesprochen ist hierbei vor allem die Kernforderung der SPÖ, die Gesamtschule. Die Neue Mittelschule will die ÖVP nun jedoch als flächendeckenden Ersatz zur Hauptschule bei gleichzeitiger Beibehaltung des Gymnasiums. "Die Neue Mittelschule kommt, das Gymnasium bleibt", so Pröll.

Die wichtigsten Vorschläge im Detail:

Im Kindergarten will die Volkspartei "regelmäßige Sprachstandsfeststellungen" durchführen. Bei einer negativen Feststellung sieht das ÖVP-Bildungspapier „verpflichtende und ganztägige" Betreuungsformen im letzten Jahr vor dem Schuleintritt vor. Zusätzlich soll bei jedem Kind vor Schuleintritt die "Schulreife" überprüft werden. Reichen die Deutschkenntnisse nicht aus, soll „vor Schuleintritt ein Vorschuljahr" absolviert werden.

In der Volksschule soll es künftig nach dem Wunsch der ÖVP eine Bildungsvereinbarung zwischen Eltern und Schule geben. Damit soll betont werden, dass die Eltern für die Erziehung zuständig sind und nicht die Schule. Die "Grundkulturtechniken" Lesen, Schreiben, und Rechnen sollen im Zentrum stehen. Bei Sprachdefiziten soll es eine verpflichtende Sprachförderung am Nachmittag geben. Anstatt der innerhalb der ÖVP diskutierten Aufnahmeprüfung vor dem Eintritt in die Mittelstufe soll es "individuelle Bildungsempfehlungen" geben. Diese soll auch "sehr konkrete Hinweise in Richtung Schultyp" - also ob Gymnasium oder Neue Mittelschule - beinhalten - so Josef Pröll.

Die wohl größte Bewegung gibt es in der ÖVP bei der Schule der 10- bis 14-Jährigen. Die Zehnprozentgrenze für die Neue Mittelschule soll fallen, "die Hauptschulen werden zu neuen Mittelschulen aufgewertet". Das Gymnasium in seiner Langform soll jedoch erhalten bleiben. Das Gymnasium ist für die ÖVP unantastbar, "denn der Einheitsbrei führt zur Nivellierung nach unten", sagt Pröll. Vereinheitlichen will die ÖVP weitestgehend den Fächerkanon und die zu erreichenden Bildungsstandards, dadurch soll die Durchlässigkeit zwischen den beiden zukünftigen Schultypen der Sekundarstufe I gefördert werden.  Sowohl in der Neuen Mittelschule wie auch im Gymnasium soll ein "modulares System" den Übergang erleichtern. Wie auch schon in der Neuen Mittelschule, soll es im Gymnasium zu einer stärkeren Leistungsdifferenzierung kommen. Die genaue Form soll jedoch am Schulstandort bestimmt werden.

Insgesamt soll der Vollausbau der Neuen Mittelschule 130 Millionen Euro mehr kosten. Am Ende der Sekundarstufe I will die ÖVP eine "Mittlere Reife" einführen. Diese Zwischenprüfung in Deutsch, Mathematik, einer lebenden Fremsprache und zwei weiteren Fächern soll zum weiteren Schulbesuch in einer Oberstufe - ob Gymnasium oder Berufsbildende höhere Schule steht dem Schüler hier offen - befähigen. Die "Mittlere Reife" soll "ähnlich wie die teilstandardisierte Reifeprüfung" aussehen, so Karl.

Weiters will die ÖVP die ganztägige Betreuung - unter der Prämisse der Wahlfreiheit - ausbauen, die Schulautonomie soll gestärkt werden. Das Sitzenbleiben soll nur mehr "ultima ratio" sein, durch ein Modulsystem und Fördermaßnahmen soll schon "präventiv" dagegen gearbeitet werden. Nur noch in jenen Fächern in denen Defizite bestehen, soll das Modul wiederholt werden. Die Notenbeurteilung soll bleiben, hinzu kommen soll jedoch eine verbale Beurteilung.

"ÖVP kann diese Last nicht alleine stemmen"

Zusätzlich zu den Prüfungen und der Mittleren Reife sollen während der gesamten Schullaufbahn sogenannte "Talentchecks" durchgeführt werden. "Mehr Mut zur Elite", fordert Wissenschaftsministerin Karl. Durch die Talentchecks sollen Hochbegabte frühzeitig gefunden und gefördert werden.

Die ÖVP will mit ihrem Bildungspapier "auf den Koalitionspartner" zugehen, so Pröll. "Die ÖVP kann diese Last nicht alleine stemmen", so Fritz Kaltenegger und richtet sich unter Bemühung eines Kreisky-Zitats an den Koalitionspartner: "Lassen Sie uns dieses Stück des Weges gemeinsam gehen."

(seb, derStandard.at, 7.1.2011)