Neue Tischtücher, Bettwäsche und Vorhänge für das SOS-Kinderdorf.

Foto: Sophie Preisch

Während der letzten Tage des Jahres 2010 übersiedelten mehr als 100 Kinder aus dem SOS-Kinderdorf Santo in ihr neues Heim. Die vorübergehenden Herbergen, die auf dem Grund direkt neben dem Kinderdorf aufgebaut wurden, helfen die Anzahl der Kinder in den Familienhäusern zu reduzieren und bieten vielen ein temporäres Zuhause. Alle Kinder hier sind erst nach dem Erdbeben hergekommen, ein Großteil von ihnen soll noch 2011 mit ihren biologischen Familien wiedervereint werden.

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Eine Gruppe von SOS-Tanten steht hinter einem Lastwagen und sucht Bettwäsche, Tischtücher und Vorhänge aus. "Alles hier haben wir neu gekauft. Wir sind dabei, 20 Häuser auszustatten, damit die Kinder einziehen können. Wir mussten Betten, Matratzen, Ventilatoren kaufen... einfach alles", sagt Jules Richard, der Leiter der vorübergehenden Herbergen in Santo. Diese Fertigteilhäuser wurden im Zuge des Nothilfe-Programms nach dem Erdbeben im Januar 2010 gespendet. Manche von ihnen sind seit Juni in Gebrauch, andere ab jetzt.

"Die Übersiedlung ist ein relativ komplizierter Prozess, der eine Menge Nachforschungen und die Zusammenarbeit aller bedarf", erklärt Richard. Jedes dieser kleinen Fertigteilhäuser ist ein Heim für fünf Kinder und eine SOS-Tante, jeweils vier der Häuser bilden einen Block, der in Haushaltsorganisation und beim Kochen zusammenarbeitet.

Geschwister bleiben zusammen

Es sei wichtig, gewisse Dinge zu organisieren, um auch wirklich für ein liebevolles Zuhause sorgen zu können, so der Leiter: "Wir möchten keine Geschwister voneinander trennen. Kinder, die mit Geschwistern unter fünf Jahren hier hergekommen sind, bleiben weiterhin im Kinderdorf. Obwohl die provisorischen Unterkünfte bestimmt eine gute Wohnalternative darstellen, erfüllen sie doch gewisse Voraussetzungen nicht, um auch Babies und Kleinkindern ein Zuhause zu geben. Ein Großteil der Infrastruktur - wie zum Beispiel eine größere Gemeinschaftsküche oder ein Saal für Freizeitaktivitäten - sind erst im Baustadium."

"In der Nacht ist es kalt und am Tag heiß. Es wird wohl noch etwas dauernd, bis hier alles funktioniert und wir uns an unser neues Zuhause gewöhnt haben", sagt eine Tante, die gerade mit fünf Kindern hierher gezogen ist. Der Ventilator wurde noch nicht montiert, das ist eines der Dinge, die während dieser Tage gemacht werden. 

Improvisiertes Spielen

Nichtsdestotrotz nutzen die Kinder, was vorhanden ist: Eine Gruppe spielt mit einer Scheibtruhe, ein paar Buben stehen im Gras und lassen Drachen steigen, die sie aus Stäben und Plastiksäcken gebastelt haben. Der zehnjährige James sagt, dass es ihm gut geht hier. Er besuche zwar seine SOS-Mutter und seine SOS-Geschwister im Kinderdorf noch, aber die meiste Zeit verbringe er bereits in seinem neuen Zuhause.

James ist einer von über 100 Kinder, die während des Jahres 2011 mit ihren biologischen Familien wiedervereint werden. Nach dem Erdbeben haben tausende Familien in Haiti ihr Zuhause verloren und waren nicht mehr in der Lage, für ihre Kinder zu sorgen. Es dauerte Monate um herauszufinden, welche Kinder noch Eltern oder Familienangehörige haben und wann diese in der Lage seien, sie wieder bei sich aufzunehmen. Bis diese Kinder zu ihren Familien zurückkehren, leben sie jetzt in den kleinen Fertigteilhäusern als provisorische Unterkünfte.

Aber hier sind auch Kinder untergebracht, deren Familienangehörige verstorben sind und die in das neue Kinderdorf ziehen werden, das derzeit im Entstehen ist. "Viele Dinge sind noch immer schwierig, aber wir mussten jetzt einfach handeln. Es wird noch dauern, bis genügend Bäume Schatten spenden und wir ausreichend Raum für Freizeitaktivitäten haben. Aber zumindest können wir hier die grundlegenden Dinge bieten", sagt Jules Richard. Er und sein Team werden ebenfalls ihre Büros in die Plastik Fertigteilhäuser übersiedeln, um immer direkt vor Ort sein zu können.

Und so wird mit dem neuen Jahr auch ein neues vorübergehendes Kinderdorf geboren. (Sophie Preisch, derStandard.at, 7.1.2011)