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Vom 1,78 Meter großen Robert Weber (rechts) erhofft man sich bei der WM in Schweden Impulse und vor allem Tore.

Foto: EPA/Weißbrod

Standard: Österreich ist erstmals seit 18 Jahren wieder bei einer WM-Endrunde dabei. Ist das die Ausnahme von der Regel, oder können sich die Handballfans auf regelmäßige Teilnahmen einstellen?

Weber: Die WM-Qualifikation ist schon etwas Besonderes. Mit unserer guten Platzierung bei der Heim-EM im vergangenen Jänner sind wir aber in einen Kreis hineingekommen, wo man bessere Möglichkeiten bekommt, sich für kommende Großevents zu qualifizieren. Durch den neunten Platz bei der EM hatten wir mit den Niederländern ein leichteres WM-Quali-Los. Das haben wir genützt. Natürlich braucht man auch Glück bei der Auslosung. Aber wenn wir uns weiter so präsentieren, bin ich sicher, dass in den nächsten Jahren noch einige Großevents dazukommen werden.

Standard: Teamchef Magnus Andersson spekuliert in Schweden zumindest mit dem Erreichen der Hauptrunde. Dazu ist ein dritter Platz in der sechs Mannschaften umfassenden Gruppe nötig. Ein realistisches Ziel?

Weber: Auf jeden Fall. Jeder Spieler, der dieses Ziel nicht vor Augen hat, wäre fehl am Platz. Keiner von uns will nach Schweden fahren, um zu verlieren. Wir dürfen die WM halt nicht zu leichtfertig gegen Brasilien und Japan angehen. Diese Spiele muss man gewinnen. Dann kommt es darauf an, wen wir noch schlagen können. Meine Einschätzung ist, dass wir uns hinter den Favoriten Island und Norwegen mit Ungarn um den entscheidenden dritten Gruppenplatz matchen.

Standard: Island, immerhin der Olympia-Zweite 2008, wurde in der EM-Quali für 2012 vor wenigen Monaten sensationell geschlagen. Bei der Heim-EM war es ein Unentschieden. Wäre eine Niederlage eine Enttäuschung?

Weber: Niederlagen sind prinzipiell eine Enttäuschung. Aber unsere Erfolge gegen Island feierten wir vor Heimpublikum. Die Isländer sind eine zusammengeschweißte Truppe. Es wird schon sehr, sehr schwierig, diese Erfolge, die wir zu Hause gefeiert haben, auswärts zu wiederholen.

Standard: Nach welchem WM-Abschneiden wären Sie persönlich am Boden zerstört?

Weber: Wenn wir mit null Punkten ausscheiden würden, das wäre katastrophal. Wir sollten zumindest Japan und Brasilien hinter uns lassen. Und wenn wir dann nur knapp ausscheiden, wäre das auch eine herbe Enttäuschung. Für uns alle ist das die erste WM. Unsere Nerven werden eine große Rolle spielen, ich bin neugierig, wie wir mit dem Druck umgehen. Wir spielen dreimal um 21.30 Uhr, das sind für uns ungewohnte Spielzeiten.

Standard: Woran liegt es, dass die Entwicklung der Mannschaft steil nach oben zeigt?

Weber: Ich bin schon sieben Jahre dabei, seitdem sind nicht viele Spieler dazugestoßen. Jedes Team braucht Zeit zusammenzuwachsen. Wir haben mit Viktor Szilágyi einen unglaublichen Spielführer, der jeden einzelnen Jungen gut leiten kann. Das ist für mich ein erheblicher Punkt, warum wir so erfolgreich sind. Nur: Man darf jetzt nicht in einem kurzen Zeitraum an zwei Großereignissen teilnehmen, und dann ist wieder 18 Jahre lang Ruhe. Es ist wichtig, dass neue Talente nachrutschen. Damit sich Routiniers wie Patrick Fölser beruhigt zurücklehnen und sagen können: "Ich habe meine Arbeit getan."

Standard: Kann man mit diesem Team von Medaillen träumen?

Weber: Eine Medaille wird immer schwierig. Da gibt es andere Teams, die haben eine ganz andere Mentalität und viel mehr Handballer im Land zur Verfügung. Natürlich wäre es ein Traum. Aber ich denke nicht, dass ich das noch miterleben werde. Also, in meiner aktiven Karriere, meine ich.

Standard: Trotz der Erfolge hat es in Österreich keinen Handball-Boom gegeben. Warum nicht?

Weber: Das ist schwierig zu erklären. Im Ländle, wo ich herkomme, gab es zuletzt beim Bundesliga-Derby zwischen Bregenz und Hard mit 2000 Fans eine Rekordkulisse. Die Klubs machen marketingmäßig Wirbel, die kennt man auch in Deutschland. Je weiter man in den Osten geht, wird es aber mit der Publikumsakzeptanz schwierig.

Standard: Sie spielen in Deutschland, führen in der stärksten Handball-Liga der Welt überlegen die Torschützenliste an. Wird das international wahrgenommen?

Weber: Klar, ich führe ja schon seit drei Monaten die Liste an. Für mich zählt mit Magdeburg aber vor allem das Mannschaftsziel. Ich habe keine Lust, einmal Torschützenkönig zu sein und um Platz 30 mitzuspielen. Da spiele ich lieber mannschaftsdienlich und bin mit dem Team zehn Jahre in den Top Ten.

Standard: Wären Sie Goalgetter in der zweiten deutschen Fußball-Liga, würde Sie in Österreich jeder Sportinteressierte kennen. Fühlen Sie sich als Handballer geringgeschätzt?

Weber: Nein. Bei mir in Magdeburg ist es teilweise schon anstrengend. Da geht man in ein Café, und man wird erkannt. Da bin ich froh, wenn ich zum Beispiel nach Wien komme, und keiner kennt mich. Aber es ehrt, wenn man von wildfremden Menschen etwa auf die Leistung beim letzten Spiel angesprochen wird.

Standard: Wie unterscheidet sich Handball in Deutschland und Österreich?

Weber: Das Publikumsinteresse in Deutschland ist enorm. Selbst die kleinsten Hallen sind immer ausverkauft. Wenn 2500 reinpassen, sind 3000 drin. Das andere ist die Spielhärte. Es wird viel schneller und ballsicherer gespielt. Da muss man körperlich auch einiges einstecken können.

Standard: Mit Verlaub. Mit Ihren 1,78 Metern wirken Sie im Vergleich schmächtig. Wie machen Sie körperliche Defizite wett?

Weber: Mit Verlaub: Der Schein trügt. Ich habe genug Kraft, muss mich aber mehr anstrengen als andere. Ich mache viel mit Geschwindigkeit und Sprungkraft, das ist für mich das Wichtigste. Natürlich könnte ich mich aufblasen, Krafttraining machen. Aber das sind nicht meine Vorzüge.

Standard: Fühlen Sie sich für Ihre Leistungen befriedigend entlohnt?

Weber: Mittlerweile ja. Als ich 2009 nach Magdeburg gewechselt bin, habe ich mir gedacht, das Angebot nimmst du besser an. Weil verhandeln brauchst du als No-Name nicht. Du musst zuschlagen und beweisen, dass du gut bist. Erst dann kommt das Geld.

Standard: Hätten Sie mit Ihren Einkünften als Spitzenspieler in Deutschland einmal ausgesorgt?

Weber: Keine Chance. Man verdient gutes Geld, kann vorsorgen, mehr nicht. Ich würde mir wünschen, meine Karriere bei meinem Heimatverein Hard zu beenden und in einen Betreuerposten reinzurutschen. Wenn ich noch zehn Jahre auf Hochklasseniveau spielen kann, habe ich einiges an Erfahrung weiterzugeben. Beim nächsten Handball-Boom kann ich von außen mithelfen. (David Krutzer, DER STANDARD Printausgabe, 8./9.1.2011)