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Die Türkei hat unter anderem deshalb Schwierigkeiten mit ihrem Beitritt zur EU, weil sie immer noch einen Paragrafen im Strafgesetzbuch hat, wonach die "Beleidigung der türkischen Nation" geahndet wird. Bis 2008 hieß das noch "Beleidigung des Türkentums", und es gab pausenlos Prozesse gegen kritische Autoren, Künstler usw.
"Türkentum" ist wie "Deutschtum", "real Americans" (Copyright Sarah Palin) oder auch "echter Österreicher" ein diffuser nationalistischer Begriff, der von der Rechten verwendet wird, um sich selbst über andere zu erheben. Wenn man sonst nichts ist oder kann, dann will man wenigstens ein echter Bodenständiger sein. Der Begriff hat eine schauerliche Geschichte im 20. Jahrhundert. In manchen Gegenden Europas gibt es ihn noch immer - oder schon wieder.
Die Regierung unseres Nachbarn Ungarn zelebriert ein "Ungarntum", das von vorgestern ist, gleichzeitig aggressiv und antidemokratisch. Das neue Mediengesetz macht implizit "Herabwürdigung des Ungarntums" zum Delikt. Zum Drüberstreuen kann die "Hauptabteilung für Inhalte-Überwachung" (!) auch die "Werte der Familie" oder der "öffentlichen Moral" schützen.
So etwas gab es auch in Österreich bis in die Sechzigerjahre. Aber wir schreiben 2011, und beim Nachbarn ist es Regierungsprogramm. Die Türkei kommt u. a. wegen ihrer "Türkentum" -Fantasien nicht in die EU. Ungarn mit ähnlichen Fantasien ist schon drin. (Hans Rauscher/DER STANDARD, Printausgabe, 8.1.2011)