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Ungarische Aktivisten protestieren gegen das neue Mediengesetz.

Foto: AP/Bela Szandelszky

Bis zu 730.000 Euro Strafe kann es in Ungarn seit Jahresbeginn Zeitungs- und Onlinemediumsherausgeber, Radio- und Fernsehmacher kosten, wenn die veröffentlichten Berichte "politisch nicht ausgewogen" sind. So bestimmt es das neue ungarische Presse-(Knebelungs)-Gesetz. Für Medien, die über die endemischen Polit- und Wirtschaftsskandale im Europa des frühen 21. Jahrhunderts berichten, ist das existenzbedrohend und kommt einem Zwang zur Selbstzensur gleich. Das Phänomen willfähriger Berichterstattung, die nur auf "gute Nachrichten" setzt, wird unter MedienmacherInnen, die um ihre wirtschaftliche Grundlage fürchten und JournalistInnen, die um ihren Job zittern, in Ungarn jetzt um sich greifen.

In Österreich gibt es das alles nicht - würde man jetzt gerne mit Überzeugung sagen. Doch damit nähme man den Mund zu voll: Gute Jobs im Mediengeschäft sind hierzulande rar, das setzt manche JournalistInnen der Versuchung aus, sich inhaltlich möglichst flexibel zu verhalten. Und: Tendenzen, mit dem Sicherheits- und Interessensabwägungsargument die Meinungsfreiheit einzuschränken, sind auch hierzulande stark vorhanden.

So ist es zum Beispiel noch keine zwei Monate her, dass der Versuch endgültig abgewehrt werden konnte, mit einem Gesetz zu besserer "Terrorismusprävention" auch Medienberichte über Sicherheitsdefizite - zum Beispiel auf Flughäfen - unter Gefängnisstrafe zu stellen. Ende November wurde die Novelle gegen "Terror(ausbildungs)camps" beschlossen, seit Jänner ist sie in Kraft - ohne den umstrittenen Passus.

Davor hatten JournalistInnenvertreter und ExpertInnen monatelang zäh und aufdringlich Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit bei den handelnden PolitikerInnen betrieben. Eine Erfolgsstory, zum Glück - aber noch keine "g'mahte Wiesn": Aus der ÖVP war danach zu vernehmen, dass weiter Novellen-"Diskussionsbedarf" bestehe.

Ebenfalls nicht ausgestanden ist die Gefahr heftiger Nebenwirkungen bei einer von Justizministerin Claudia Bandion-Ortner weiterhin dringend gewünschten Mediengesetznovelle. Fotografen sollen Geldstrafen - in den bisherigen Entwürfen im fünfstelligen Eurobereich - zu befürchten haben, wenn ihre veröffentlichten Bilder "schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen" von Privatpersonen verletzen.

Nun ist nichts dagegen einzuwenden, wenn lästige und gefährliche Paparazzi in die Schranken gewiesen werden. Doch die Strafandrohung würde auch FotojournalistInnen treffen, die skandalumwitterten Personen bei fragwürdigen Geschäften auf der Spur sind. Und damit - via Selbstzensurversuchung - die Pressefreiheit: Wer wegen einer nicht missbrauchssicheren Bestimmung tausende Euro Strafe riskiert, wird ein politisch kompromittierendes Foto vielleicht doch lieber löschen als es - um weit weniger Honorar - zu verkaufen.

Zusammengefasst: nach Ungarn ist es nicht weit.

Irene.Brickner@derStandard.at

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