Christian Felber will Investitionsmöglichkeiten einschränken. Immobilienspekulation etwa gehöre steuerpolitisch erschwert.

Foto: Heribert Corn

STANDARD: Ihr Lösungvorschlag für die Eurokrise lautet: Die Europäische Zentralbank (EZB) soll Garantien für alle Anleihen ausgeben. Das wäre eine Belohnung für jene, die schlecht gewirtschaftet haben.

Felber: Diesen Schluss kann man nur ziehen, wenn man die Länder individuell betrachtet. Aber sie haben sich für eine Währungskooperation entschieden und sind jetzt gemeinsam für die darin entstandenen Ungleichgewichte verantwortlich. Durch gigantische Leistungsbilanzüberschüsse - etwa Deutschlands - sind sie für das Schicksal Griechenlands verantwortlich. Auch bei der totalen Fehlstrategie im irischen Banksektor sind die anderen mitverantwortlich, weil sie den Markt als Leitgröße für alles erklärt haben.

STANDARD: Das klingt, als hätten die Iren und Griechen selbst nichts falsch gemacht. Das wird's ja wohl auch nicht gewesen sein.

Felber: Natürlich nicht. Aber in der Lösung, die ich vorschlage, leisten beide Länder einen großen Beitrag, in dem sie im Falle Irlands das Steuerdumping aufgeben und im Falle Griechenlands Nicht-Besteuerung von Vermögen und hohen Einkommen aufgeben. Sie kommen nur in den Genuss der Garantien, wenn sie sich an einer Steuerkooperation beteiligen, die Finanztransaktions-, progressive Kapitaleinkunfts- und Vermögenssubstanzsteuern vorsieht.

STANDARD: Meinen Sie mit Steuerkooperation, dass mit Steuereinnahmen aus Deutschland oder Österreich Schulden in Griechenland und Irland bezahlt würden?

Felber: Zu einem Teil ja, weil überproportionaler Schuldenabbau in Irland und Griechenland stattfindet und ein relativ höherer Anteil des Aufkommens aus Österreich und Deutschland stammt. Das ist solidarisch und nur vordergründig ein Verlust, weil die Österreicher und Deutschen nicht um ihre Forderungen umfallen.

STANDARD: Also Globalisierung der Schulden ist Antwort der Attac-Globalisierungskritiker.

Felber: Meine Metapher ist Kreisverkehr. Eine globale oder europäische Vermögenselite bezahlt gemeinsam die Schulden zurück, die die Staaten bei ihnen haben.

STANDARD: Eine Regierung, die das vorschlägt, wäre rasch Geschichte.

Felber: Wenn die europäischen politischen Eliten das gemeinsam so argumentieren, würde das der großen Mehrheit der Menschen einleuchten. Sie würden den Nutzen, die Entschuldung aller überschuldeten Länder und die Sicherung des Euros, höher betrachten.

STANDARD: Für Länder, die keine EZB-Garantien brauchen, wäre ihr Modell ein Anreiz, erst recht niedrige Steuersätze anzubieten.

Felber: Das könnte passieren, dass etwa Deutschland mit diesem Argument nicht mitmacht. Dann wären die Deutschen, die große Gläubiger Griechenlands sind, Profiteure dieser Solidarlösung, ohne selbst etwas beizutragen. Ich glaube da würden sie einen sehr starken Gesichtsverlust erleiden.

STANDARD: Nur weil es Garantien für Anleihen gibt, heißt das nicht, dass angeschlagene Länder die Schulden zurückzahlen können.

Felber: Aber die Garantie gibt es ja nur, wenn sie an der Steuerkooperation teilnehmen. Das geht in die Billionen. Da kann man alle Staaten unter die Verschuldensgrenze von 60 Prozent des BIP drücken.

STANDARD: Und Sie glauben nicht, dass, wenn man Steuern um Billionen erhöht, Reiche abwandern?

Felber: ... das immer gleiche Drohargument. Das demokratische Gemeinwesen sollte sich nicht mehr erpressen lassen und lieber gegen die Erpresser vorgehen. Freier Kapitalverkehr sollte nicht mehr gratis sein. Kapital sollte nur in jene Länder fließen dürfen, in denen die Finanzmärkte gleich stark reguliert sind und es Doppelbesteuerungsabkommen gibt.

STANDARD: Sie schlagen vor, Staatsanleihen sollten höchstens die Inflationsrate als Rendite abwerfen. Wer kauft dann noch Anleihen?

Felber: Staaten müssen sich zur Wehr setzen, dass die Märkte bestimmen, wie viel Geld kostet. Das folgt einer Logik, dass Geld privates Gut ist und dass die Entscheidung, wohin es investiert wird, eine rein private Entscheidung ist.

STANDARD: Wollen Sie eine gesetzliche Pflicht zum Anleihekauf?

Felber: Es geht um eine Einschränkung der Investitionsmöglichkeiten. Es sollte Immobilienspekulation steuerpolitisch erschwert werden. Oder man sollte Rohstoffe nur handeln dürfen, wenn man eine Handelslizenz hat.

STANDARD: Also die meisten Geschäfte verbieten?

Felber: Finanzrenditen gehören in den Bereich zwischen Inflations- und Wachstumsraten gedrückt. Sonst gibt es starke Umverteilung von der Allgemeinheit zu Investoren. Menschen sollen Einkommen nicht mehr aus Kapitalbesitz erhoffen, sondern aus Arbeit.

STANDARD: Klingt nach Traumwelt.

Felber: Ein Traum ist, dass man sich in einer Welt, in der Finanzvermögen ein wachsendes Vielfaches realer Wirtschaftsleistung ausmacht, noch irgendwelche Finanzeinkommen erhofft. Je größer sie gemessen an realer Wirtschaft sind, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, sie zu vermehren. (Günther Oswald, DER STANDARD, Printausgabe, 10.1.2011)