Graz - Der Deal um das 50 Hektar große Stadtareal Reininghausgründe zählt wohl zu den skurrilsten und wenig ruhmreichen Kapiteln der jüngsten Grazer Stadtgeschichte. Während Finanzstadtrat Gerhard Rüsch noch am Freitag im Standard-Gespräch von bereits abgeschlossenen, unterschriftsreifen Verträgen mit Ernst Scholdan bezüglich der Übernahme der Gründe sprach, hatte Scholdan längst einen "letter of intent" (LOI) mit dem aus Sri Lanka stammenden Theologen Douglas Fernando in der Tasche.

Fernando ist Dritteleigentümer der deutschen Avila-Management-Gruppe, eines Unternehmens, das mehrheitlich dem Karmeliterorden - zu einem Drittel auch den Karmelitern in Linz - gehört. "Die haben wohl mehr gezahlt", hieß es am Montag aus dem Büro von Bürgermeister Siegfried Nagl (VP) ernüchtert, nach dem Scholdan und Douglas Fernando ihre Absichten der völlig verblüfften Stadtregierung präsentierten.

Parallel verhandelt

In Grazer Wirtschaftskreisen wurde rasch Kritik laut, dass die Stadtverhandler ganz offensichtlich vergessen hatten, mit Scholdan ein Exklusivverhandlungsrecht zu fixieren. So hatte Scholdan kurzfristig - die Verhandlungen mit der Stadt dauerten ihm zu lange - einen anderen Abnehmer für seine Immobilien gesucht und parallel mit ihm verhandelt. Zur Avilo-Gruppe zählt auch die vom Erzbistum Berlin aufgekaufte "Petruswerk Katholische Wohnungs- und Siedlungsgenossenschaft", die auch in Graz tätig werden dürfte. Das Petruswerk ist für den Wohnbau mit den Schwerpunkten Studentenwohnparks, betreute Einrichtungen sowie Wohnparks für Senioren zuständig.

"Dann gehe ich"

Die Projekte dieser katholischen Baugruppe verliefen nicht immer friktionsfrei: Die katholische Kirche hatte die Praktiken des Petruswerks im Zusammenhang mit der Entwicklung eines historischen Gebäudes im norddeutschen Greifswald gerügt.

Douglas Fernando sagt jedenfalls, er wolle in sechs bis acht Jahren die Infrastruktur dieses Stadtteils, für den die Stadt 79 Millionen Euro geboten hatte, entwickeln. "Wenn es 25 Jahre dauert, dann gehe ich, wir haben genügend andere Projekte", sagte der neue Investor. Ob es nun tatsächlich zum Deal, den Nagls grüne Regierungspartnerin Lisa Rücker "mit Verwunderung" registrierte, kommt, ist noch gar nicht klar. Der Vertrag soll bis Ende Jänner unterzeichnet werden. Bürgermeister Siegfried Nagl lässt ausrichten, wenn es nicht klappen sollte, stehe die Stadt Graz wieder bereit.

Zweiter Flop

Nach Salzburg (Sternbrauerei) ist Graz der zweite Immobilienflop Scholdans. Er hat beide groß beworbenen Stadtbauvisionen nicht verwirklicht. Seit 2005 hatte der PR-Fachmann Scholdan, der sich der Immobilienwirtschaft zugeneigt hatte, angekündigt, im Grazer Westen eine Modellstadt des 21. Jahrhundert realisieren zu wollen. Er ließ Denker aus aller Welt einfliegen und Opinionleader in die Welt ausschwärmen, um Ideen zu sammeln. Dann ging ihm finanziell die Luft aus. (Walter Müller, DER STANDARD-Printausgabe, 11.1.2011)