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Wolfgang Auer-Welsbach wurde gegen 9:30 Uhr von Justizwachebeamten in den Schwurgerichtssaal geleitet.

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Das Interesse von Medien, Anlegern und Kiebitzen war am Dienstag geringer als vom Gericht erwartet.

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Richter Christian Liebhauser-Karl kurz vor Prozessbeginn.

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Die Staatsanwälte Christof Pollak (l.) und Thomas Liensberger werfen Wolfgang Auer-Welsbach schweren gewerbsmäßigen Betrug, Untreue, Bilanzfälschung und Fälschung eines Beweismittels vor, bis zu einer etwaigen rechtskräftigen Verurteilung gilt für ihn die Unschuldsvermutung.

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Wien/Klagenfurt - Am Klagenfurter Landesgericht fiel am Dienstag der Startschuss für den Megaprozess gegen den Kärntner Finanzzampano Wolfgang Auer-Welsbach, der sich unter anderem wegen gewerbsmäßigen schweren Betrugs und Untreue vor Gericht verantworten muss. Er soll über sein Firmenkonglomerat AvW mit Sitz in Krumpendorf am Wörthersee fast zwei Jahrzehnte lang mehr als 13.000 Genussscheininhaber geprellt haben. Davon haben sich rund 8.500 mutmaßlich Geschädigte dem Strafverfahren angeschlossen.

Auer-Welsbach, der bei seinem Auftritt im Schwurgerichtssaal betont entspannt wirkte und ein minutenlanges Blitzlichtgewitter ohne Regung hinnahm, gab zunächst auf die entsprechende Frage des Richters Christian Liebhauser-Karl Einblick in seine privaten Vermögensverhältnisse. 100.000 Euro besitze er, habe aber "derzeit keinen Zugriff darauf", so der Angeklagte. Bis November 2008 habe er ein monatliches Einkommen von 29.000 Euro bezogen, danach 15.000 Euro.

"Angeklagter, quatschen Sie mich nicht nieder"

Die nachmittägliche Einvernahme Auer-Welsbachs gestaltete sich dann anfangs etwas holprig. Der Beschuldigte ließ dem Richter oftmals nicht genug Zeit zum Protokollieren seiner Fragen. "Herr Angeklagter, quatschen Sie mich nicht die ganze Zeit nieder", entfuhr es Liebhauser-Karl deshalb einmal. Auch, dass Auer-Welsbach nicht immer exakt auf das antwortete, wonach er gefragt wurde, sorgte beim Vorsitzenden des Schöffensenats für Kopfschütteln. "Sie sind Akademiker, Sie sind ein Finanzjongleur", meinte er etwa, als ihn Auer-Welsbach über das "Sondervermögen" aufklären sollte. Liebhauser-Karl hatte wissen wollen, ob Auer-Welsbach "retrospektiv" der Meinung sei, dass die Einrichtung eines Sondervermögens nicht gesetzlich sei. Auer-Welsbachs Antwort: "Aus der damaligen Sicht war's gesetzlich."

Bezüglich der Ausgabe der Genussscheine bemerkte Auer-Welsbach: "Der Mastermind war immer ich." Er sei aber von einem Börsenmakler und einem Juristen beraten worden. Ob gegen letzteren ein Strafverfahren anhängig ist, wisse er nicht.

"Wenn K. nicht gewesen wäre"

Die Schuld am Zusammenbruch des Genussschein-Konglomerats im Herbst 2008 gibt Auer-Welsbach aber nach wie vor seinem ehemaligen Prokuristen K. (der nicht angeklagt ist, Anm.). "Wenn K. nicht gewesen wäre, wäre das System geblieben und es hätte Liquidität gegeben." Infolge der "Malversationen" von K., die im September 2008 begonnen hätten, habe der Rückkauf der Genussscheine eingestellt werden müssen. "Es haben damals 50 Millionen Euro gefehlt", die Capital Bank habe den Geldhahn zugedreht. Nach der entsprechenden AvW-Pflichtmitteilung am 17. Oktober 2008 "hat jede Bank die Liquidität gestrichen". Außerdem sei es zu einer Rückkaufflut gekommen. "Jeder wollte nach dieser Ad-hoc-Meldung das Papier verkaufen".

Wobei Auer-Welsbach einräumte, dass es "keine Rückkaufgarantie" bei den Genussscheinen gegeben habe. Bei der zweiten, ab 2001 begebenen Tranche, sei überdies die Kapitalgarantie aus den Genussscheinbedingungen gestrichen worden. Er sieht darin aber keinen Nachteil für die Anleger, die Papiere hätten jederzeit an die AvW Management Beteiligungs AG zurückverkauft werden können. Puncto Kapitalgarantie meinte der Angeklagte, dass jeder Berater gewusst hätte, dass es keine solche Garantie mehr gebe.

Dass er die Anleger nicht über den Split der Genussscheine im Verhältnis 1:7 im Jahr 1999 informiert hat (wie ihm die Staatsanwälte vorwerfen, siehe unten), begründete er folgendermaßen: "Es ist nicht die Teilung des Genusswerts erfolgt. Am Sammeldepot ist der Wert gleichgeblieben." Zu einer Versiebenfachung des Unternehmenswerts sei es durch den Split nicht gekommen.

"Dominant und autoritär"

In den zuvor erfolgten Plädoyers der Staatsanwälte Christof Pollack und Thomas Liensberger kam Auer-Welsbach erwartungsgemäß nicht gut weg. Es sei ein "durchaus komplexes Wirtschaftsverfahren", sagte Pollack. Der Akt AvW umfasse mittlerweile 66 Bände und 33.000 Seiten. Auer-Welsbach sei der "alleinige wirtschaftliche Nutznießer" der ihm vorgeworfenen "Malversationen" gewesen. An der Spitze des Konzerns sei die Auer-von-Welsbach-Privatstiftung gestanden, deren Erststifter und Begünstigter Auer-Welsbach gewesen sei, erläuterte Liensberger per Powerpoint-Präsentation. Die Privatstiftung sei Eigentümerin der AvW Gruppe AG gewesen, die wiederum drei Viertel der börsenotierten AvW-Invest-AG-Aktien gehalten habe. Über den Aktienwert der AvW Invest AG sei daher der Wert der Gruppe beeinflusst worden. Die Zwischenschaltung einer Beteiligungsgesellschaft zwischen Stiftung und Gruppe habe "den alleinigen Zweck der Vermögensverschiebung" hin zum Angeklagten gehabt.

Auer-Welsbach, so Pollack, sei von Mitarbeitern als "dominant und autoritär" beschrieben worden, er habe kritische Wirtschaftsprüfer ausgetauscht und kein internes Kontrollsystem gehabt. "Der Angeklagte handelte systematisch und tatplanmäßig", er habe sich durch das Genussscheinsystem persönlich bereichert. Mit einem Nettoeinkommen von mindestens 29.000 Euro im Monat habe er außerdem einen luxuriösen Lebensstil führen können, "Motorboot und Rolls Royce inklusive", ätzte der Staatsanwalt.

"Betrug in drei Phasen"

Der gewerbsmäßig schwere Betrug (angeklagter Schaden: rund 270 Mio. Euro) habe in drei Phasen stattgefunden, so Pollack. Phase eins von Juni 1999 bis Juni 2001, als die Genussscheine von der AvW Gruppe AG ausgegeben wurden, Phase zwei von Juni 2001 bis September 2008, als die AvW Invest AG als Genussscheinemittentin fungierte und später Phase drei. Auer-Welsbach habe seine Anleger in mehrerlei Hinsicht getäuscht, etwa im Hinblick auf die Sicherheit der Papiere, die als "erfolgreiche Alternative zum Sparbuch" angepriesen worden seien. Auch sei den Kunden eine jederzeitige Rückkaufsmöglichkeit und eine hundertprozentige Kapitalgarantie versprochen worden. "In Wahrheit war die Kapitalgarantie in den Genussscheinbedingungen nie vorhanden", sagte Pollack. Beim Emittentenwechsel 2001 habe Auer-Welsbach darüber hinaus nicht auf den Entfall des Rückkaufsrechts hingewiesen - die Staatsanwälte sehen darin eine "deutliche Schlechterstellung" der Anleger.

Auch im Hinblick auf die Liquidität bzw. den Unternehmenswert habe Auer-Welsbach seine Anleger getäuscht. "Die Unternehmenssubstanz reichte schon 2001 lediglich zur Befriedigung von 25 Prozent der Anleger aus", so der Staatsanwalt unter Berufung auf das Gutachten des heute ebenfalls anwesenden Sachverständigen Fritz Kleiner. Bereits damals sei dem Angeklagten die fehlende Liquidität bewusst gewesen, da es entsprechende Hinweise der damaligen Wirtschaftsprüferin gegeben habe.

"Kapitalmarktorientiertes Perpetuum mobile"

Liensberger erläuterte dann noch den vorgeworfenen Tatbestand der Untreue (Schaden: ca. 150 Mio. Euro). Im Jahr 1999 sei die Anzahl der Genussscheine via Split versiebenfacht worden. "Er gab das Umtauschverhältnis 1:7 aber nicht an die Anleger weiter", so der Ankläger. Statt die neuen Scheine an die Anleger auszufolgern, seien sie an die AvW Invest verkauft worden, wodurch sich der Anteil der Anleger an der AvW von 14 auf 2 Prozent verkleinert habe. Auer-Welsbach habe seine Anleger darüber nicht informiert, so Pollack. Liensberger sprach von einer "ungerechtfertigten Kapitalverschiebung von der AvW Gruppe zur AvW Invest". Dadurch sei auch der Kurs "künstlich hochgehalten worden". Auer-Welsbach habe rund 83 Prozent der AvW-Invest-Aktien kontrolliert.

In puncto Kursbildung verwies Pollack auf das Kleiner-Gutachten, wonach die Gewinnerwartungsmöglichkeiten für die Anleger "zu jedem Zeitpunkt unrealistisch" war. "Der Kurs war mit der Substanz der AvW Gruppe AG nicht in Einklang zu bringen. Kleiner nennt das 'kapitalmarktorientiertes Perpetuum mobile'", so der Staatsanwalt. Schon 2001 habe die damalige Bundeswertpapieraufsicht (BWA, heute FMA) die Kursberechnung als unüblich und willkürlich bezeichnet. Durch diverse Verkaufsgeschäfte habe er auch die AvW-Gesellschaften geschädigt.

"Als Jurist kannte Auer-Welsbach seine Pflichten und Rechte als Vorstand. Er war sich der Schädigung der Anleger bewusst", resümierte Liensberger.

Glaube ans Lebenswerk

Auer-Welsbachs Verteidiger Michael Sommer wies in seinem Statement darauf hin, dass die zuständigen Behörden auch in mehrfachen Prüfungen jahrelang keine Unregelmäßigkeiten entdeckt hätten. Sowohl die Bundeswertpapieraufsicht (BWA), später die Finanzmarktaufsicht (FMA), die Oesterreichische Kontrollbank (OeKB) als auch das Finanzamt Klagenfurt und verschiedene Wirtschaftsprüfer hätten alles für richtig befunden. "Was soll man da dem Angeklagten vorwerfen, wenn die Behörden nichts auszusetzen hatten?", fragte der Anwalt. Sein Mandant bekenne sich deshalb nicht schuldig. "Er hat an sein Lebenswerk geglaubt."

Die Staatsanwälte kritisierte Sommer, weil diese ihre Anschuldigungen in erster Linie mit der Argumentation des Gutachters Fritz Kleiner untermauerten. So gehe beispielsweise der Vorwurf der Untreue zulasten der AvW Gruppe AG völlig ins Leere. Denn alleiniger Eigentümer der AvW Gruppe AG sei Auer-Welsbach selbst gewesen. "Und er kann sich nicht selbst schädigen", sagte Sommer.

Das Bild seines Mandaten sei auch in den Medien falsch dargestellt worden. Er habe keineswegs auf Kosten der Genussscheinkunden gelebt. So habe er die Villa in Krumpendorf am Wörthersee und das Seehaus von seinem Vater geerbt.

Abberufungs-Anträge abgelehnt

Der Angeklagte hatte übrigens vergebens gehofft, daheim auf den Prozess warten zu können: Nachdem sein Antrag auf eine elektronische Fußfessel im September vom Haftrichter am Landesgericht abgelehnt worden war, gaben sowohl das Oberlandesgericht als auch der OGH den Beschwerden gegen die Ablehnung nicht statt. Der Beschluss der Höchstrichter am OGH sei zwar noch ausständig, eine entsprechende Vorankündigung habe man aber bereits bekommen, bestätige Sommer vor wenigen Tagen.

Nicht erfolgreich war Auer-Welsbach auch einmal mehr beim Versuch, Gutachter Kleiner sowie Richter Liebhauser-Karl loszuwerden. Gegen Kleiner hatte Auer-Welsbach schon zwei Privatanklagen in Wien und Graz eingebracht, weil Kleiner behördenfremden Personen Auskunft über einen möglichen Fertigstellungstermin für sein Gutachten gegeben hatte. Beim Landesgericht für Strafsachen in Wien war er bereits freigesprochen worden, in Graz war das Verfahren eingestellt worden. Den Richter wollte Anwalt Sommer mit der Begründung abberufen lassen, dass dieser Trauzeuge eines mutmaßlich geschädigten Genussscheinkunden bzw. Taufpate eines von dessen Kindern sei.

Sommer hat heute erneut entsprechende Anträge auf Ausschließung vom Verfahren eingebracht, der Schöffensenat hat diese nach kurzer Beratung allesamt abgelehnt.

Mindestens 40 Zeugen

Wolfgang Auer-Welsbach wird auch morgen vom Gericht den ganzen Tag einvernommen. Am Donnerstag starten die Zeugenbefragungen, die Staatsanwaltschaft hat die Einvernahme von mehr als 40 Zeugen beantragt. Es könnten noch bis zu 50 weitere hinzukommen, denn Auer-Welsbach hat am Montag ein 240-Seiten-Schriftstück eingebracht, in dem er ausführt, warum er strafrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen werden könne und 50 Personen (u. a. Mitarbeiter von Finanzmarktaufsicht FMA und Finanzamt) nennt, die dies angeblich bezeugen können.

Rund zwei Dutzend Journalisten kamen ins Landesgericht, ansonsten war die Menge der Prozessbeobachter am Dienstag überschaubar. Von den rund 120 Anlegeranwälten fanden nur etwa 40 den Weg in den Schwurgerichtssaal. Im ehemaligen Auktionssaal des Landesgerichtes, in den die Verhandlung per neu installierter 50.000 Euro teurer Videoanlage live übertragen wird, nahmen lediglich 13 Gerichtskiebitze Platz.

Anwesende Privatbeteiligtenvertreter erhoffen sich nicht allzu viel vom Strafprozess. Selbst im Falle einer Verurteilung werde für die mutmaßlich Geschädigten "nicht viel zu holen sein".

30 Verhandlungstage

Als erster Zeuge ist am Donnerstag Arnulf Komposch geladen, der von März 2009 bis Ende April 2010 Mitglied des AvW-Vorstands war. Komposch war vor seinem AvW-Engagement Konsumentenschutz-Sektionschef im Sozialministerium und hat Auer-Welsbach ans Messer geliefert: Wenige Tage, nachdem Komposch bei der Staatsanwaltschaft plauderte, klickten für Auer-Welsbach am 23. April 2010 die Handschellen. Kurz darauf mussten die AvW Gruppe und die AvW Invest Konkurs anmelden.

Das Gericht hat nun vorerst 30 Verhandlungstage eingeplant, zwei- bis dreimal pro Woche soll nun verhandelt werden.

Auer-Welsbach werden gewerbsmäßig schwerer Betrug, Untreue, Bilanzfälschung und Fälschung eines Beweismittels zur Last gelegt. Er soll mehr als 13.000 Inhaber von AvW-Genussscheinen geprellt haben, die Anklage geht von einem Gesamtschaden von mindestens 420 Mio. Euro aus. Im Falle einer Verurteilung drohen Auer-Welsbach, der bereits seit April in Klagenfurt in U-Haft sitzt,  bis zu zehn Jahre Haft.  (APA/red)