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Trotz Denkmalschutzes werden immer wieder Gebäude in Wien abgerissen.

Foto: REUTERS/VITO LEE

Das Ensemble Sigmundsgasse.

Foto: Wolfgang Burghart, Denkma(i)l Nr.04/2010, Abb. 19

Zitat aus der Zeitschrift Denkma(i)l der Initiative Denkmalschutz: "Der im Jahr 2000 neu erbaute Fritz-Kandl-Hof in Jedlesee, Anton-Bosch-Gasse 3, nach "Rücksichtnahme auf die vorhandene Dorfstruktur"."

Foto: Gerhard Jordan, Denkma(i)l Nr.04/2010, Abb. 38

Noch immer besteht ein Abbruchbescheid für das Biedermeierhaus in der Sigmundsgasse 5 im siebenten Bezirk. Das 170 Jahre alte Haus soll, obwohl es unter Denkmalschutz steht, dem Erdboden gleich gemacht werden. Nicht nur die Anrainer und der Bezirksvorsteher Thomas Blimlinger laufen gegen den Bescheid Sturm, sondern auch die Initiative Denkmalschutz (ID). Markus Landerer und Claus Süss von der Initiative finden "die Rolle der Stadt Wien in der Causa sehr bedauerlich" und sprechen von "gebrochenen Zusagen". 

Noch im Oktober 2005 sagte der damalige Wohnbaustadtrat und heutige Bundeskanzler Werner Faymann im Nachrichtenmagazin News: "Es wird in der Stadt keine Abbruchbewilligungen geben, um einem Spekulanten zu nützen und wir sind nicht mehr daran interessiert, Häuser an den Herrn Lenikus zu verkaufen." Herr Lenikus heißt mit Vornamen Martin und ist Geschäftsführer der gleichnamigen Unternehmensgruppe, der auch das Gebäude in der Sigmundsgasse 5 gehört. Nun soll es abgerissen werden.

Lenikus: "Zwiespalt"

In einer Aussendung sprach die Unternehmensgruppe von einem Zwiespalt, da man sich "Weisungen zweier unterschiedlicher Behörden ausgesetzt" fühle, "die in einem völligen Widerspruch stehen - baubehördlicher Abtragungsauftrag und denkmalgeschützter Erhaltungsauftrag". Dabei sieht Landerer von der ID keinen Zwiespalt: "Das Denkmalschutzgesetz ist ein Bundesgesetz und steht somit in der Rechtsbauordnung über einem Abbruchbescheid der Gemeinde Wien."

Seit 2006 steht das Haus in der Sigmundsgasse unter so genanntem Ensembleschutz. Das bedeutet, dass die Zusammenstellung eines Straßenzuges oder einer Gebäudegruppe in ihrer Einheit geschützt wird. "Ende der 1970er und Anfang der 1980er Jahre hat sich auf diesem Gebiet in Wien viel getan", sagt Süss. Das hätte vor allem an den Nachwehen der Spekulationsgeschäfte am Spittelberg gelegen. "Heute sind diese Gebäude aber oft nur noch in ihrer Außenwirkung geschützt, innen dürfen sie nach Belieben verändert werden." Die möglichen Auswirkungen auf Gebäude, könne man an einem Beispiel in Jedlesee sehen (siehe Bild). Hier blieb nur die Fassade des 150 Jahre alten Hauses erhalten.

Zwei Prozent der Bausubstanz denkmalgeschützt

Lenikus zeigte in einer Aussendung auch die Möglichkeit auf, dass der geplante Neubau in der Sigmundsgasse "ganz nach den Vorstellungen der Behörden" gestaltet werden könne. Für die ID sei solch ein Neubau aber "nichts anderes als Disneyland". "Einen Neubau auf alt zu trimmen, kann nicht die Lösung sein. Die Bausubstanz geht ja trotzdem verloren", so Landerer.

Insgesamt sind laut Angaben des Bundesdenkmalamtes etwa zwei Prozent der gesamten Bausubstanz in Österreich denkmalgeschützt, die ID spricht gar nur von 1,45 Prozent. Der internationale Schnitt liegt aber bei vier Prozent. "Das Hauptproblem, warum es so wenige Unterschutzstellungen gibt, ist der Personalmangel im Denkmalamt", so Landerer. Die Beamten würden die Liste schutzwürdiger Objekte nicht mehr abarbeiten können. "Jedes Objekt, das nicht unter Schutz steht, darf abgerissen werden", sagt Landerer. "Und da die Baubranche schnell arbeitet, verschwinden tagtäglich schutzwürdige Bauten." Und auch schutzwürdige Lokale.

Anreize für Denkmalschutz

Zwar beschäftige sich die ID in erster Linie mit Bauobjekten, doch begrüße man, dass das Cafe Hawelka Denkmalschutz beantragt habe. "Schade ist nur, dass das im Zuge der Nichtraucherschutzregelung passiert und nicht, weil man prinzipiell Wert auf den Schutzstatus legt", so Süss. Objektinhaber dazu zu bringen, Denkmalschutz als Vorteil zu sehen, müssen weitere finanzielle Anreize geschaffen werden. Bis dato sei es bei Restaurierungsarbeiten nämlich nur möglich, fachkundlichen Rat über das Denkmalamt einzuholen, die Arbeiten müssten dann selbst finanziert werden.

Für die ID ist es auch "eine Schande", dass gewisse Reparaturen den Inhabern von Bauobjekten nicht zugemutet werden können, und zwar unabhängig von ihrem Einkommen. So wäre es auch möglich, dass ein Milliardär maximal Dachziegel auswechseln und Fensterluken verschließen muss. Ein ganzes Dach wäre unzumutbar - das Gebäude dürfte dann abgerissen werden.

"Müsste man auch Stephansdom abreißen"

Auch beim Gebäude in der Sigmundsgasse wird vorgebracht, dass sich eine Restaurierung nicht mehr lohnen würde. "Dabei argumentiert man auf ganz dünnem Eis", sagt Süss. "Das Haus genüge nicht mehr den modernen Standards der Erdbebensicherheit und anderen Sicherheitsfaktoren. Aber wenn man diese Argumentation heranzieht, müsste man sogar den Stephansdom abreißen." (Bianca Blei, derStandard.at, 11.1.2011)