Sofia/Istanbul - "Ich garantiere für diese Person, egal, was die anderen sagen", versichert die Frauenstimme am Telefon und meint ihren Günstling für den Chefposten des Zolls in Plovdiv, Bulgariens zweitgrößter Stadt. "Nur über meine Leiche", antwortet Vanjo Tanov, der General und Leiter der Zollbehörden des Landes. "Für mich ist er ein Krimineller. Drei Gefängnisse wollen ihn haben." Doch Menda Stojanova, die Abgeordnete der Regierungspartei Gerb, der die Frauenstimme gehört, lässt nicht locker: "Ich will diese Person. Das müssen Sie wissen. Wenn nötig, werde ich mit dem Premierminister sprechen."

Mit Dialogen wie diesem geht "Tanovgate", der Skandal um abgehörte Telefonanrufe, die eine offenbar massive Einflussnahme der Politik auf Bulgariens Zollchef Vanjo Tanov zeigen, dieser Tage in eine neue Runde. EU-Staaten wie Deutschland, Frankreich und die Niederlande nehmen es als Bestätigung dafür, dass es richtig war, die Entscheidung über Bulgariens Beitritt zur grenzfreien Schengenzone aufzuschieben.

Das Boulevardblatt Galeria, dem enge Verbindungen zum Inlandsgeheimdienst nachgesagt werden - Chefredakteurin Soja Dimitrova ist eine ehemalige Sprecherin der Behörde -, hatte vergangene Woche Mitschnitte von Telefongesprächen veröffentlicht, in denen sich Zollchef Tanov bei seinem Vorgesetzten, Finanzminister Simeon Djankov, beklagte. Der Innenminister übe Druck auf ihn aus, beschwerte sich Tanov. Er verlange etwa, dass der Zoll bestimmte große Unternehmen nicht kontrolliere. Tanov nennt Einfuhren der österreichischen Handelskette Billa und des russischen Mineralölkonzerns Lukoil.

Minister überwacht

Die Telefongespräche seien legal abgehört worden, heißt es nun unter Berufung auf die Staatsanwaltschaft. Innenminister Tsvetan Tsvetanov hatte die Aussagen als "Geschwätz" bezeichnet und erklärt, er wüsste nicht, woher sie wirklich stammten. Zu Wochenbeginn verbreitete dann die kleine rechtspopulistische Partei RZS Telefongespräche zweier Regierungsabgeordneter mit Tanov. Premier Boiko Borissov versuchte mit zweifelhaften Bemerkungen zu beruhigen. Er misstraue jedem, deshalb lasse er seine Minister abhören, sagte er, und: Die Minister müssten sich nicht lieben, sondern nur gut zusammenarbeiten. (Markus Bernath/DER STANDARD, Printausgabe, 12.1.2011)