Kanzler Faymann in der "ZiB2".

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Wenn also jetzt, nach dem "ZiB2"-Auftritt des Kanzlers, nicht durch jeden Bürger ein gewaltiger Reformruck geht und es jemand noch wagt, vom Moderator des Stillstands zu sprechen, hat der Regierungschef jedes Recht, sich ein neues Volk zu suchen. Das alte hätte nämlich nicht verstanden, dass der Kanzler längst vorbildlich einen 2011-Vorsatz in die Tat umgesetzt hat - nämlich sich selbst (als TV-Figur) zu reformieren.

Natürlich stehen abseits des ORF, im wirklichen Politleben, noch kleinere Härtetests bevor. Jene, die Hannes Androsch als Zukunftshoffnung der SPÖ sehen, müssen durch ähnliche Energieauftritte zurück auf den aktuellen roten Teppich gebracht werden. Auch muss sich erst erweisen, ob Landeskönige durch Lautstärke und die Kraft schlechter Launen ("Herr Wolf, lesen Sie nur die Kronen Zeitung?" ) zu überzeugen sind. Und was, wenn der Vizekanzler nachlegt und sich ebenfalls reformiert?

Man wird sehen. Dem Koalitionspartner möge Armin Wolf, der seinen Finalsatz ("Vielen Dank für Ihren Besuch im Studio!") eher schon erschöpft rüberbrachte, vorerst als Warnung dienen. Ihm setzte ein Entschlossener zu, dessen Antworten epische Ausmaße annahmen und der Zwischenfragen zu pädagogischen Ermunterungen nutzte ("Herr Wolf, ich bin noch nicht fertig!").

Und obwohl Wolf mit gewohnt automatenhafter Hartnäckigkeit kürzere Antworten einforderte, um Fragen stellen zu können, musste er an diesem Abend zur Kenntnis nehmen, dass gegen die Urkraft der Selbstreform kein Interviewkraut gewachsen war. Zumal ihn der Kanzler ab und an arbeitslos machte, indem er sich selbst jene Fragen stellte, die er zu beantworten geruhte. (Ljubiša Tošić/DER STANDARD; Printausgabe, 12.1.2011)