Sicher, es gibt gute Gründe, warum in Haiti ein Jahr nach dem Beben noch immer kaum Besserung zu sehen ist. Vor allem ist es das Ausmaß der Zerstörung: Würden 60 Prozent von Wien bei einem Erdbeben zerstört oder beschädigt, würde nach einem Jahr auch nicht alles wieder stehen.

Doch verstörend ist, wie unkoordiniert die Hilfe scheint - und das nicht erst seit dem Erdbeben. Millionen und Abermillionen wurden in den vergangenen 25 Jahren nach Haiti gepumpt. Der Erfolg: gleich null. Es ist immer noch der ärmste Staat der westlichen Hemisphäre. Zwar muss niemand verhungern - doch Entwicklung ist keine in Sicht.

Diesmal soll alles besser werden, versprechen die Gebernationen und die NGOs, man wolle besser planen. Doch die Wirkung der Konferenzen der Vereinten Nationen bleibt bescheiden. Teilnehmer berichten von Allgemeinplätzen, die dort besprochen werden, konkrete Entscheidungen werden selten gefällt.

Eine Rolle spielt natürlich auch eine Besonderheit des Spendenwesens: Man zeigt lieber glücklich lachende Kinder vor einer neuen Schule als neue Stromleitungen oder eine Schuttdeponie. Das Problem: Wenn der Schulbesuch Geld kostet, haben die Armen wenig davon; wenn die Infrastruktur fehlt, wird sich aber auch die Wirtschaft nie entwickeln können. In Wahrheit ist das Erdbeben Haitis letzte Chance - wird 2011 nicht zumindest ein Masterplan erarbeitet, wird sie vertan. (Michael Möseneder/DER STANDARD, Printausgabe, 12. Jänner 2011)