Foto: Mojo
Foto: Mojo
Foto: Uncut
Foto: Uncut

Rund um Weihnachten bin ich im FM4-Forum über eine Formulierung gestolpert. Das dortige Forum wurde ja aufgrund des neuen ORF-Gesetzes und der damit einhergehenden Registrierungsbestimmungen quasi kahlgeschlagen. Was dazu führt, dass, zwecks Aufrechterhaltung eines Mindestparteienverkehrs, FM4-Mitarbeiter unter den Artikeln ihrer Kollegen posten. Zumindest fällt das jetzt stärker auf.

In einem solchen Posting hat Christian Fuchs einen Begriff verwendet, der – ungefähr – „Vermojoisierung“ bzw. „Veruncutisierung“ lautete. Der Begriff war dahingehend verwendet, dass die britischen Musikmagazine Mojo und Uncut altbacken sind.

Nun könnte man sagen, dass Fuchs mit Bunny Lake auch ganz schön verjaggert wirkt, aber das ist nicht das Thema. Mojo und Uncut sind tatsächlich unerträglich, und das seit Jahren. Zwei, drei okaye Geschichten pro Heft ändern das nicht.

Saisonal wiederkehrend werden dort Hausheilige wie die Beatles, Dylan, die Beatles, Bob Dylan, LennonMcCartneyRingoHarrison, His Bobness und anderer Pop-Adel durchdekliniert, der oft schon mit einem Bein im Grab steht. Und zwar mit der Impertinenz von Briefmarkensammlern: „Was dachte Frank Zappa, als er sich mit heruntergelassenen Hosen am Häusl fotografieren ließ? Dann folgen 16 Seiten Stuhlanaylse, Interviews mit der Klofrau, dem Friseur der Klobürste und, und, und. Vom Rolling Stone – egal ob deutsche Ausgabe oder US – ganz zu schweigen.

Klar gibt es ein Publikum für diese Hefte. Und sie bilden eine Realität im Pop ebenso ab wie Fuchs mit Bunny Lake: Popkultur ist keine Angelegenheit der Jugend mehr. Je älter Pop wird, desto höher steigen die Ansprüche daran.

Das trifft zumindest auf jene Minderheit zu, die sich intensiver dafür interessiert. Weshalb der Super-Hipster des letzten Jahrzehnts, James Murphy vom LCD SS, ein Mittvierziger und kein 20-Jähriger ist. Er muss über mindestens so viel Wissen verfügen, wie sein kritisches Publikum. Deshalb flüchten Heftln wie das Mojo und Uncut – mitunter auch Wire – in die Details der Pop-Historie und schlachten sie episch aus.

Aber darum geht’s gar nicht.

Alle Popmedien werden immer schneller altbacken. Und das ist keine Frage des Alters. Wer Pitchfork, das Leitmedium für Jung und Hip, über längere Zeit beobachtet, stolpert über denselben geschmäcklerischen Lobbyismus, den erwähnte Magazine betreiben. Auch dort regieren seit Jahren dieselben Hausheiligen.

Das ist legitim, denn Hausheilige verdeutlichen eine Ausrichtung, geben Orientierung und schaffen Identifizierungsmöglichkeiten. Einhergeht aber jene Verblendung, die Verliebtheit bedeutet. Und: Als Online-Mediums, das sich eine gewisse Quantität an Rezensionen verordnet hat, wird mit der Bedeutungszuschreibung zu großzügig umgegangen. Übers Wertungssystem, ein Leitsystem für Idioten, sag ich lieber nichts.

Wie Heftln wie das Spex Themen wählen, lässt sich anhand der Inseratenschaltungen ablesen. Immerhin wurde die Hirnidee „Pop-Briefing“ gemeinsam mit dem Chefredakteur wieder entsorgt.

So, optimalerweise stünde hier nun so etwas wie ein Ausweg aus dieser Situation. Den sehe ich aber nicht. So sehr mir all das auf den Wecker geht, man bleibt Gefangener des Systems. Was bleibt ist, nämliche Heftln wie früher die Krone zu lesen: Von hinten. Zumindest die Rezensionen durchschauen, was es alles gibt. Aber zufriedenstellend ist anders.

(Karl Fluch, derStandard.at, 21. 1. 2011)