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Krebserkrankungen bei Kindern sind mittlerweile zu 70 bis 80 Prozent heilbar, die Chancen sollen nun noch besser werden

Foto: AP/Joerg Sarbach

Heidelberg - Wissenschafter wollen nach neuesten Erkenntnissen aus einem offenkundigen Unterschied zwischen bösartigen Erkrankungen bei Kindern und solchen bei Erwachsenen Nutzen ziehen. Kinderkrebs ist nämlich oft ein defekter Reifungsprozess von Zellen: "Wir gehen davon aus, dass Krebs im Kindesalter häufig deswegen entsteht, weil Zellen nicht richtig ausreifen", erklärte Olaf Witt, Chef der Klinischen Kooperationseinheit "Experimentelle Pädiatrische Onkologie" in der neuesten Ausgabe der DKFz-Zeitschrift "Einblick".

Krebserkrankungen bei Kindern sind mittlerweile zu 70 bis 80 Prozent heilbar. Die neuen Forschungsergebnisse - so Experten vom deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg (DKFz) - könnten die Heilungsraten weiter erhöhen. Eine Hoffnung für Familien, denn eine Krebserkrankung im Kindesalter ist immer mit sehr traumatischen Erfahrungen verbunden.

Jahrelange Entwicklung im Erwachsenenalter

Die meisten Krebserkrankungen befallen Menschen im mittleren bis höheren Lebensalter. Zumeist liegt die Ursache in sich über Jahre ansammelnde fehlerhaften Mutationen im Erbgut. So gibt es zahlreiche Beobachtungen, wonach es jahre- bis jahrzehntelang dauert, bis eben Zellen endgültig in Richtung Bösartigkeit - sprich: ständigem Wachstum - entgleisen. Und dann dauert es offenbar erst recht wieder jahrelang, bis sich ein Tumor beziehungsweise Metastasen entwickeln.

Beispiel Neuroblastom

Bei Kindern dürfte das hingegen anders sein. Ein Beispiel dafür ist das Neuroblastom, ein gefährlicher Gehirntumor. Witt: "Wir gehen davon aus, dass also beispielsweise Vorläuferzellen, die im Körper umherwandern, um das periphere Nervensystem zu bilden, sich einfach weiter teilen statt sich in Nervenzellen zu verwandeln." Diese Fehlschaltung könnte aber auch neue Chancen bieten, bessere medikamentöse Therapien zu entwickeln. Der Experte: "Unser Ziel ist es deshalb, die Krebszellen so umzuprogrammieren, dass sie zu den endgültigen Zelltypen heranreifen." 

Der beim Neuroblastom vorliegende Defekt dürfte also nicht so sehr in der Erbsubstanz der Zellen selbst als in epigenetischen Veränderungen liegen. Darunter versteht man die Steuerung des Anschaltens oder des Inaktivierens von Genen durch eine Veränderung der "Verpackung" der DNA.

Entwicklung von neuen Medikamenten

In den USA ist mit "Vorinostat" bereits eine Wirksubstanz zugelassen, welche offenbar in diesen Prozess eingreift. Doch dafür hat sie erhebliche Nebenwirkungen. Deshalb wird versucht alternative Medikamente zu entwickeln. An einer Kombinationstherapie wird man aber wohl nicht vorbei kommen: Krebszellen haben nämlich die Fähigkeit, bei Blockade eines für ihr Wachstum notwendigen Signalweges auf redundante Systeme umzuschalten. Witt: "Ziel einer individuell angepassten Therapie muss es daher sein, eine Kombination aus Wirkstoffen zu finden, die den Krebs von mehreren Seiten gleichzeitig angreifen, damit die Krebszelle keinen Ausweg mehr findet." (APA/red)