Beirut/Washington/Wien - Gestern, Mittwoch, früh verstrich die von der Hisbollah gesetzte Deadline zur Abwendung der Regierungskrise im Libanon: Bis dahin sollte Präsident Michel Sleimane den libanesischen Ministerpräsidenten, Saad Hariri, beauftragt haben, eine dringliche Kabinettssitzung einzuberufen: zum Zwecke, die libanesische Zusammenarbeit mit dem Hariri-Tribunal für beendet zu erklären.

Dieser von der Uno eingesetzte Gerichtshof untersucht das Attentat, bei dem im Februar 2005 der mehrfache Expremier Rafik Hariri - Vater des jetzigen Premiers - und weitere 22 Personen in Beirut getötet wurden.

Das Uno-Tribunal bereitet eine Anklage gegen Hisbollah-Mitglieder vor, wie wurde eigentlich schon vor Jahresende erwartet. Die Hisbollah - die nicht nur eine vom Iran gesponserte schiitische Miliz ist, sondern Regierungspartei - will das nicht hinnehmen. Sie und ihre Verbündeten stellen zehn von dreißig Ministern, die am Mittwoch ihren Rücktritt bekanntgaben - zusätzlich ging ein von Sleimane ernannter Staatssekretär. Damit war die Regierung gefallen, die erst seit Herbst 2009, nach längeren instabilen Zeiten, durch eine sorgfältige Ausbalancierung von Macht und Interessen der wichtigsten Gruppen zustande gekommen war.

Mit dem Austritt der Hisbollah aus der Regierung ist die saudiarabisch-syrische Vermittlungsinitiative endgültig gescheitert. Die beiden Länder, die in dem Hariri-Konflikt ursprünglich auf entgegengesetzten Seiten standen - Saudiarabien als Protektor des (zuletzt) syrienkritischen Rafik Hariri, Syrien als Verdächtiger im Mordfall -, hatten sich zusammengetan, um die Stabilität im Libanon zu retten.

Saudiarabien - und wie es schien, auch Saad Hariri - hatten sich offenbar bereits damit abgefunden, dass es Abstriche bei der Suche nach Gerechtigkeit geben würde, um die Hisbollah in der Regierung zu halten. Hariri hielt sich Mittwoch in den USA auf, wo derzeit auch König Abdullah von Saudiarabien ist, zur Rehabilitation nach einer Rückenoperation.

Es scheint jedoch, dass die USA, die lange zur Frage geschwiegen hatten, darauf beharren, dass das Hariri-Tribunal weiter seine Arbeit tut. Beobachter sprechen von einem amerikanischen "Veto" gegen den saudiarabisch-syrischen Plan. Nach einem Treffen mit Saad Hariri hatte Außenministerin Hillary Clinton die US-Unterstützung für das Uno-Tribunal betont. Hariri kündigte weitere Versuche an, die Regierung zu retten, wie es schien, vergeblich. (Gudrun Harrer/DER STANDARD, Printausgabe, 13.1.2011)