Kleine AK47? Nein, große Hände: Die Islamistensatire "Four Lions" bewegt die Gemüter nicht nur in Großbritannien.

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Regisseur Morris: "Es geht um eine abstrakte, radikale Ideologie, die sich aus der Geschichte des politischen Radikalismus ableitet."

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Eine Krähe soll die tödliche Fracht transportieren - ein Fehler, wie sich herausstellt.

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"Es ist ein häufiger Fehler, einen fremden Aspekt einer Kultur zu sehen, etwa den Umgang mit Frauen, und ihn mit einem anderen Aspekt dieser Kultur, nämlich Gewalt, zu verknüpfen."

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Der britische Regisseur Chris Morris (48) hat sich vor "Four Lions" mit satirischen Werken in Fernsehen und Film einen Namen gemacht.

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Die Islamistensatire Four Lions begleitet ein fiktives Quartett junger pakistanischstämmiger Männer auf ihrer langen Reise von der tristen Sheffielder Vorstadt in den lange beschworenen Dschihad. Dabei stellen sich Omar, Waj, Faisal und der Konvertit Barry in ihrem Eifer so tollpatschig an, dass der geplante Anschlag nicht und nicht gelingen will.

Der britische Starcomedian und Filmemacher Chris Morris hat damit ein politisch heikles Terrain betreten. Seit der Uraufführung beim renommierten Sundance Film Festival in Utah 2010 wird Four Lions zwar hymnisch besprochen. Jüngst forderte der CSU-Politiker Stephan Mayer das Verbot des Films in Deutschland, weil man mit solchem Stoff inmitten der allgemeinen Terrorgefahr Öl ins Feuer gieße. derStandard.at hat mit Chris Morris gesprochen.


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derStandard.at: Die vier Dschihadisten, die Sie in Four Lions porträtieren, sind reichlich dumme Möchtegern-Terroristen, deren Taten schlussendlich mehr an den einsamen Selbstmordattentäter von Stockholm als an die Londoner U-Bahnbomber erinnern. Für wie realistisch halten Sie, abseits der Satire, dieses Bild?

Chris Morris: Ich wollte zeigen, dass eine durchschnittliche home-grown Terrorzelle wenig mit dem Bild eines Dschihad-Mastermind zu tun hat, das uns von Medien und Politik vermittelt wird. Stellen Sie sich vor, die Ereignisse im Film wären Realität. Wie würde darüber berichtet? Wären es Idioten, die scheitern, oder wäre es ein erfolgreicher Anschlag? Ich tippe auf Letzteres. Auch der tödlichen Anschlag von Madrid wurde von ziemlich lächerlichen Leuten geplant. Praktisch alle derartigen Anschläge waren und sind das Werk von kompletten Amateuren. Um in ihrem Sinne Erfolg zu haben, brauchen die Attentäter einfach auch Glück. Ich halte "Four Lions" für ziemlich realistisch, was mir im Übrigen auch von Leuten aus CIA und Polizei bestätigt wurde.


derStandard.at: Wie haben Sie recherchiert?

Morris: Ich habe unzählige Menschen getroffen, die mir über das Leben der Kinder pakistanischer Einwanderer erzählt haben. Ich bin zum Beispiel lange in Billardklubs gewesen und habe so nach und nach auch die Freunde der Freunde meiner Kontakte kennengelernt. So habe ich versucht, so viel wie möglich über die pakistanische Kultur und über die Schnittpunkte mit dem Islam zu lernen. Etwa auch, wie pakistanische Jugendliche mit ihren Eltern oder ihren Geschwistern sprechen.

derStandard.at: Die Mohammed-Karikaturen in Dänemark haben zu wütenden Protesten in großen Teilen der islamischen Welt geführt. Hatten Sie Angst vor ähnlichen Reaktionen?

Morris: Dazu muss man schon sehr direkt und absichtlich die Grundsäulen der Religion angreifen. Mein Film handelt aber von Leuten, die aus eigenem Antrieb zu Dschihadisten werden, obwohl sie hunderte Meilen entfernt von so etwas wie einer Front leben. Es geht um eine abstrakte, radikale Ideologie, die sich aus der Geschichte des politischen Radikalismus ableitet. Was heute im Namen von Al Kaida passiert, beginnt nicht mit einem religiösen Text, sondern mit politischer Radikalisierung. Das geht von Pakistan über Ägypten und den Widerstand gegen die Sowjets in Afghanistan bis heute, wo Leute wie in Four Lions beschrieben eine geradezu romantische Idee von Dschihadismus entwickeln. Die Religion kam erst danach ins Spiel.



derStandard.at: Wie haben britische Muslime auf ihren Film reagiert?

Morris: Wir haben den Film in Bradford gezeigt, wo sehr viele Muslime leben. Die Schauspieler wurden vom Publikum wie Rockstars gefeiert, immer wenn sie den Mund aufgemacht haben, begannen pakistanische Teenager zu kreischen. Vielen Zusehern ist Omars Bruder aufgefallen, der sehr orthodox ist und keine Frauen im Raum duldet, aber den Protagonisten von seinen gewalttätigen Plänen abbringen will. Es ist ein häufiger Fehler, einen fremden Aspekt einer Kultur zu sehen, etwa den Umgang mit Frauen, und ihn mit einem anderen Aspekt dieser Kultur, nämlich Gewalt, zu verknüpfen. Deshalb war es mir auch wichtig zu zeigen, dass einige der Figuren von ihrem Gewissen geleitet werden, weil es ja bizarrerweise gerade ihr Gewissen war, das sie erst in diese Situation gebracht hat.

derStandard.at: Wie kam Ihr Humor eigentlich in den USA an?

Morris: Ich war dort bei einer Tour durch New Yorker Kinos dabei und zweifelte im Vorfeld, ob die Besucher dort den Film lustig finden. Dabei war es genau das Gegenteil, jemand sagte, ach komm, wir haben hier den großen Terror erlebt, den Film schaffen wir locker.

derStandard.at: Gibt es Grenzen der Satire?

Morris: Klar gibt es die. Man muss ja lustig und zugleich relevant sein. Und diese Grenze ist ziemlich restriktiv. (flon/derStandard.at, 13.1.2011)