Bild nicht mehr verfügbar.

Russische Zeitungen zum Abschlussbericht der Untersuchungskommission.

Foto: EPA

Warschau - Die Flutlotsen im russischen Smolensk hätten beim Absturz der polnischen Regierungsmaschine am 10. April 2010 viele Fehler begangen, erklärten der polnische Innenminister Jerzy Miller und polnische Experten am Dienstag bei einer Pressekonferenz. Gemeinsam mit der polnischen Untersuchungskommission zu dem Unglück stellte Miller Auszüge aus den Aufzeichnungen über die Gespräche der Fluglotsen an jenem Tag vor.

"Die Fluglotsen waren am Rande der psychischen Belastbarkeit", beschrieb Oberst Miroslaw Grochowski, Mitglied der Kommission, die Atmosphäre im Tower in Smolensk aufgrund der Aufzeichnungen. So sei es gekommen, dass die Flutlosen die polnische Regierungsmaschine bei der Landung "nicht ausreichend unterstützten", so Grochowski. Der Experte warf dem russischen Bodenpersonal vor allem vor, dass sie keine Verantwortung für die Landung übernehmen wollten. "Das ist ein sträfliches Verhalten", erklärte er.

Dieses Urteil bezieht sich auf ein Zitat des Vorgesetzten der Fluglotsen, der den Landeversuch des polnischen Piloten mit dem unvollständigen Satz kommentierte: "Er hat selbst die Entscheidung getroffen, soll er doch selber..." Wie angespannt die Atmosphäre in Smolensk war, zeigt die Reaktion des Towers auf die Landung einer polnischen Maschine von Typ Jak, die unter anderem Journalisten beförderte und die über eine halbe Stunde vor der Regierungsmaschine in Smolensk ankam. Der Vorgesetzte der Fluglotsen lobte den Piloten ausdrücklich für die Landung. Danach hätten sich die Sichtverhältnisse am Flughafen allerdings noch verschlechtert, so Innenminister Miller.

Mitglieder der polnischen Untersuchungskommission äußerten außerdem die Vermutung, die Fluglotsen hätten dem Flugzeug falsche Informationen durchgegeben. So erklärten diese bis kurz vor dem Unglück, die Maschine befinde sich auf dem richtigen Kurs. "Dazu hatten die Fluglotsen kein Recht", so Innenminister Miller. Denn nach Informationen der polnischen Experten befand sich das Flugzeug beim Landeanflug 70 Höhenmeter unterhalb der korrekten Anflugbahn. Der Befehl, das Flugzeug hochzureißen, hätte nach Ansicht der polnischen Kommission elf Sekunden früher von den Fluglotsen kommen müssen, als dies tatsächlich erfolgte.

Zweifel hat die polnische Kommission auch daran, ob die Piloten über die Wetterverhältnisse am Flughafen korrekt informiert waren. Aus dem Tower erhielten sie die Information, die Sichtweite betrage 800 Meter. Tatsächlich seien es aber nur 200 bis 300 Meter gewesen, so die Experten in einer Stellungnahme.

Die polnische Untersuchungskommission reagierte mit ihrer Pressekonferenz am Dienstag auf den Abschlussbericht der russischen Untersuchungskommission in der vergangenen Woche. Der Bericht hatte allein der polnischen Seite der Schuld an dem Unglück gegeben, vor allem den Piloten, die trotz dichten Nebels einen Landeversuch unternahmen. Dagegen hatte schon der polnische Ministerpräsident Donald Tusk protestiert: "Alle Experten können versichern, dass ein Flugzeugabsturz immer mehrere Ursachen hat", erklärte er gegenüber Journalisten. Die Verantwortung der Piloten räumte Tusk aber ein. An die Aufzeichnungen der Gespräche der Fluglotsen gelangte die polnische Seite nicht auf dem offiziellen Weg - eine entsprechende Bitte wurde von Russland nicht erfüllt. Unklar ist, wie die Dokumente nach Warschau kamen.

Beim Absturz der polnischen Regierungsmaschine vom Typ Tupolew starben alle 96 Passagiere, darunter der damalige polnische Präsident Lech Kaczynski. Die Delegation war auf dem Weg zu einer Gedenkfeier für 1940 bei Katyn ermordete polnische Soldaten und Offiziere. (APA)