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Silvio Berlusconi hat ein Problem.

Foto: Reuters/Vidal

Das italienische Verfassungsgericht hat die umstrittene Immunitätsregelung für Premier Silvio Berlusconi für teilweise verfassungswidrig erklärt. Die Entscheidung fiel nach fünfstündiger Urteilsberatung mit zwölf zu drei Stimmen. Als Folge des Entscheidung werden die drei im Vorjahr eingestellten Gerichtsverfahren gegen den Regierungschef wieder aufgenommen. Die Prozesse wegen Korruption und Steuerbetrugs müssen allerdings mit ausgewechselten Richtern neu beginnen.

Da Urteile in Italien erst in dritter Instanz rechtskräftig werden, kann der Premier mit Verjährung rechnen. Möglich wäre allerdings eine - in Italien bisher einmalige - Verurteilung des Regierungschefs in erster Instanz. Die Reaktionen auf das Urteil fielen in der Regierungspartei PDL unterschiedlich aus. Während Parteisekretär Sandro Bondi von einer "Gefährdung der demokratischen Grundrechte" sprach, wertete Berlusconi die Entscheidung nach unbestätigten Aussagen seiner Mitarbeiter als "akzeptablen Kompromiss".

Sein Verteidiger Nicolò Ghedini zeigte sich zufrieden, da die Richter "das Prinzip der Immunität als gerechtfertigt anerkannt" hätten. Allerdings sei das Urteil "nicht frei von Widersprüchen". Berlusconi will sich demnächst in einer Fernsehrede äußern. Das Verfassungsgericht setzte die Bestimmung außer Kraft, derzufolge der Premier bisher unter Berufung auf seine Regierungsarbeit allen Prozeßterminen fernbleiben konnte. In Zukunft könne der Richter von Fall zu Fall über die Legitimität der Abwesenheitsgründe entscheiden.

Eine pauschale Rechtfertigung sei verfassungswidrig, so das Gericht. Berlusconis Sprecher Paolo Bonaiuti versicherte, das Urteil "habe keine Auswirkungen auf die Regierungsarbeit. Der Premier hatte bereits im Vorfeld erklärt, wie die Entscheidung der Richter ausfalle, sei ihm "völlig egal". Er werde die Bevölkerung des Landes darüber aufklären, dass es sich um "lächerliche Prozesse mit inexistenten Anklagepunkten" handle. Italiens Gerichtsbarkeit sei "ein pathologischer Fall" und habe sich zu einer "verfassungswidrigen Macht im Staat" entwickelt.

Gebilligt hat das Verfassungsgericht auch eine Volksabstimmung über das Immunitätsgesetz, für das die Oppositionspartei Italien der Werte die nötigen Unterschriften gesammelt hatte. Parteichef Antonio Di Pietro will das Referendum, das zwischen April und Juni stattfinden muss, nun als Plebiszit gegen Silvio Berlusconi präsentieren. Es sei der "einzige Weg, den Regierungschef endlich in die Wüste zu schicken." In Italien sind allerdings alle Volksabstimmungen des vergangenen Jahrzehnt an der zu niedrigen Beteiligung gescheitert. (Gerhard Mumelter aus Rom7DER STANDARD, Printausgabe, 14.1.2011)