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In den Städten Teresópolis (Bild), Petrópolis und Nova Friburgo wurden ganze Viertel zerstört. Mehr als 2000 Menschen sind obdachlos.

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In Brasilien sind bei Überschwemmungen und Erdrutschen infolge heftiger Regenfälle knapp 400 Menschen ums Leben gekommen. Besonders schwer betroffen ist die bergige Region um die Metropole Rio de Janeiro.

Puebla / Rio de Janeiro – Ein Dreivierteljahr nach den schweren Unwettern über Rio de Janeiro hat sich die Tragödie in den benachbarten Bergen wiederholt: Nach sintflutartigen Regenfällen in der Nacht zum Mittwoch kam es in der Region von Teresópolis, Petrópolis und Nova Friburgo zu zahlreichen Erdrutschen, die einer vorläufigen Bilanz zufolge fast 400 Menschen unter sich begruben.

Auch der Imbui-Fluss trat über die Ufer und riss zahlreiche Häuser und Fahrzeuge mit sich. Die Verbindungsstraße von Rio de Janeiro in die über 1000 Meter hohen Berge, die im 19. Jahrhundert der Kaiserfamilie unter Dom Pedro II. als Sommersitz dienten, war unterbrochen, auch der Strom und die meisten Telefonverbindungen fielen aus. Die Behörden verhängten den Notstand über die Region und mobilisierten alle zur Verfügung stehenden Hubschrauber für die Rettungsarbeiten.

Luftaufnahmen zeigten dramatische Szenen: rote Striemen in den grünen Bergketten, als habe ein Riese an ihnen gekratzt, unter Schlammlawinen begrabene Häuser und Fahrzeuge, Leichen in Trümmerbergen, völlig unterspülte oder zur Hälfte weggerissene Häuser. Allein in Novo Friburgo, wo 107 Menschen ums Leben kamen, zählten die Rettungsmannschaften mehr als 30 Erdrutsche. "Die Stadt ist dem Erdboden gleichgemacht", sagte der noch unter Schock stehende Rentner Carlos Damasio den brasilianischen Medien.

Betroffen waren diesmal nicht nur Elendsviertel, sondern auch Hotels, Reitclubs und luxuriöse Wohnanlagen. In Itaipava bei Petrópolis starb die Designerin Daniela Conolly mit ihrer ganzen Familie. Sie hatten dort wie viele Prominente Sommerurlaub gemacht, um der Hitze von Rio zu entfliehen. Der starke Regen hatte einen benachbarten Staudamm über die Ufer treten lassen.

Katastrophenhelfer bargen am Mittwoch die Toten aus den Trümmern und versorgten die Überlebenden mit Nahrungsmitteln, Decken und Medikamenten. Nach Angaben der Gemeindeverwaltung von Nova Friburgo wurden allein in ihrem Amtsbezirk 2100 Menschen obdachlos. Für sie wurde das Stadion als Notunterkunft hergerichtet.

Besiedelte Risikogebiete

Für die frischgebackene Präsidentin Dilma Rousseff ist dies die erste Nagelprobe. Sie gab 780 Millionen Reais (rund 355 Millionen Euro) Soforthilfe frei. Einbezogen ist auch die Industriemetropole São Paulo, über die einen Tag zuvor heftige Gewitter niedergegangen waren.

Der Tietê-Fluss war daraufhin über die Ufer getreten, hatte ganze Stadtviertel überschwemmt und den Verkehr lahmgelegt. 13 Menschen waren dabei ums Leben gekommen. Der Umweltminister des Bundesstaates Rio, Carlos Minc, sprach von einer "Kombination aus Naturkatastrophe mit der Unverantwortlichkeit einzelner Bürgermeister".

Er meint damit die Duldung von Siedlungen in Risikogebieten und die Vergabe von Baukonzessionen in gefährdeten Zonen. Hinzu kommt die Abholzung des Regenwalds und mangelnde Vorsorge. Brasilien hat 2010 einem Bericht der Zeitung O Globo zufolge umgerechnet 76 Millionen Euro für Katastrophenprävention ausgegeben – aber mehr als eine Milliarde für Schadensbegleichung.

Es ist bereits die dritte tödliche Naturkatastrophe im Bundesstaat Rio innerhalb eines Jahres. Im Jänner 2010 starben bei ähnlichen Unwettern 50 Menschen im Bezirk Angra Dos Reis, im April kamen in den Armenvierteln von Rio mehr als 100 Menschen ums Leben.

(Sandra Weiss, DER STANDARD Printausgabe, 14.1.2011)