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Justizministerin Bandion-Ortner: Nicht getroffene Personalentscheidungen sorgen bei Justizbeamten für Verärgerung.

Foto: APA/Pfarrhofer

Wien - Im vergangenen Juni ist Josef Gerstenecker, Vizepräsident am Obersten Gerichtshof (OGH), bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen. Das Justizministerium hat die unter tragischen Umständen vakant gewordene Stelle sieben Monate später noch immer nicht nachbesetzt, obwohl sich mehrere Kandidaten um den Posten beworben haben. Diese Säumigkeit und andere offene personelle "Baustellen" im Justizpalast, wo der OGH sitzt, sorgen innerhalb der Justiz für Irritationen.

Wie OGH-Präsidentin Irmgard Griss am Freitag darlegte, sind bereits Ende August sämtliche Bewerbungsunterlagen für die Gerstenecker-Nachfolge ins Justizministerium geschickt worden. Seither schlummert der damit entscheidungsreife Akt im Palais Trautson.

OGH-Präsidentin beklagt lange Wartezeit

"Das ist eine ungewöhnlich lange Wartezeit, da braucht man nichts beschönigen", bemerkte Griss. Im Ministerium verweist man auf "interne Meinungsverschiedenheiten beim OGH", wie Paul Hefelle, der Sprecher von Justizministerin Claudia Bandion-Ortner (ÖVP), erklärte. Am Höchstgericht sei man sich intern nicht klar, ob ein Strafrechtler oder ein Zivilrechtler zweiter Vizepräsident werden soll. Bandion-Ornter halte daher Hearings mit sämtlichen Bewerbern ab.

Nach Informationen der APA hat allerdings noch kein einziges Hearing stattgefunden, und die vorgeblichen Meinungsverschiedenheiten beim OGH beziehen sich lediglich auf den Vorschlag einiger Strafrichter, dass im dreiköpfigen Präsidium zumindest ein Strafrechtler sitzen soll, was in der Vergangenheit stets der Regelfall war. Mit Griss und ihrem ersten Vizepräsidenten Ronald Rohrer gehören dem Gremium derzeit zwei Zivilisten an.

Viele "Baustellen" im Justizpalast

Auch weitere personelle "Baustellen" im Justizpalast sorgen innerhalb der Justiz für Unmut über das Ministerium: So hätte der OGH nach Pensionierungen - mit Jahresende sind mehrere Senatspräsidenten in den Ruhestand getreten - zwei Stellen neu auszuschreiben gehabt, hat vom Ministerium aber nur die Ausschreibungsermächtigung für eine Stelle erhalten. "Uns wurde kein Grund genannt, warum wir die zweite Stelle nicht bekommen", stellte OGH-Präsidentin Griss fest. Ähnliches ist bei der Generalprokuratur passiert, wo - aus welchen Gründen auch immer - ebenfalls nur die Ausschreibungsermächtigung für eine von an sich zwei zu vergebenden Stellen erteilt wurde.

Am Wiener Oberlandesgericht (OLG) wiederum hat sich der Ernennung von Werner Röggla zum Senatspräsidenten verzögert, weil die nötigen Formalitäten nicht zeitgerecht finalisiert werden konnten. Röggla hätte mit 1. Jänner sein neues Amt antreten sollen. Für ihn heißt es nun zumindest bis zum 1. Februar warten.

Posse in Wr. Neustadt

Parallelen zur Posse um Ingeborg Kristen, die im irrtümlichen Glauben, sie sei bereits neue Präsidentin des Landesgerichts Wiener Neustadt, dort Verhandlungen leitete, obwohl Bundespräsident Heinz Fischer ihre Ernennung noch nicht unterschrieben hatte, drängen sich zumindest auf.

Für OGH-Präsidentin Griss ist klar, dass über Stellenbesetzungen in der Justiz ein "Rat der Gerichtsbarkeit" und nicht ein Organ der Vollziehung entscheiden sollte. Solange die Entscheidung in der Hand der Justizministerin liegt, "kann für Außenstehende immer der Eindruck entstehen, dass dabei nicht nur nach sachlichen Kriterien vorgegangen wird", gab Griss zu bedenken. (APA)