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Ansichten des Managers Scharinger - direkt, bodenständig.

Foto: Reuters/Brammer

Sagen wir es so: Managementbücher gibt es genug. Eigentlich sogar mehr als das. Auch an Publikationen, in denen sich die tatsächlichen und vermeintlichen Größen von Wirtschaft und Politik selbst rühmen oder sich von kundiger Hand rühmen lassen, herrscht kein Mangel. Warum also ist dann das Buch von Ludwig Scharinger, dem nahezu schon legendären Generaldirektor der Raiffeisenbank Oberösterreich mit ausgeprägtem Hang zur politischen Stellung- und Einflussnahme, eine besondere Erwähnung wert? Zumal bei dem Titel - Nach meiner Trompete. Sensiblere Naturen muss das ja geradezu in Alarmstimmung versetzen. "Nach meiner Trompete" - das klingt nach Befehl und Gehorsam, nach Untergebenen und Unterwerfung, nach "Räsonier er nicht!". Pfui Deibel!

Der erste und der zweite Blick

Doch gemach, gemach. Nicht immer führen der erste Blick und der erste Gedanke auf die richtige Spur. Natürlich sind die Zeiten vorbei, in denen der Industrielle Alfred Krupp in seinem berühmten Schreiben "An die Arbeiter der Gußstahl-Fabrik" vom 24. Juli 1872, in dem er den "Herr-im-Hause-Standpunkt" formulierte, mit der Versicherung schließen konnte, "daß ich in meinem Haus wie auf meinem Boden Herr sein und bleiben werde". Wer Scharingers Buch nicht nach dem ersten flüchtigen Durchblättern ob des beinahe sendungsbewussten Selbstbewusstseins des Autors etwas indigniert zur Seite legt, sondern sich die Mühe macht, mal hier, mal da, mal dort sine ira et studio in dem Buch herumzulesen, der merkt recht rasch, dass es dem Mann auch gar nicht um autoritäres Auftrumpfen geht. Wer, wie gesagt, sich diese Mühe macht, der erspürt peu à peu hinter der kaum von behindernden Selbstzweifeln getrübten Attitüde einen anderen Scharinger. Und dieser andere Scharinger erschließt sich am besten aus dessen Biografie. Der Mann, der da ganz selbstverständlich den Buchtitel Nach meiner Trompete - und dazu noch mit dem signalartigen Untertitel Visionen ohne Taten bleiben Träume - wählte und sich für das Titelbild in einem heranwachsenden Getreidefeld ablichten ließ, ist sozusagen vom Ursprung her ein Bauernbub. Ein Bauernbub, dem ein dummer Motorradunfall mit unschönen Folgen über Nacht die Möglichkeit nahm, den eigentlich geplanten Lebensweg zu gehen und den elterlichen Bauernhof weiterzuführen.

Kurz und gut, der nicht von sonderlicher Rücksichtnahme auf die Ge- und Verbote der Political Correctness geplagte Autor hat schlicht und ergreifend ein erfrischend bauernschlau-direktes Buch über Wirtschaft und Politik geschrieben. Nicht dass man mit Scharinger durchgängig einer Meinung sein kann. Beim Lesen rührt sich durchaus hier und da Widerspruch. Wie könnte es auch anders sein bei einem, der eine eigene Meinung hat und die nach alter Turnvater-Jahn-Methode "frisch, fromm, fröhlich, frei" heraustrompetet. Nein, der Gewinn der Lektüre und das, was das Buch aus der Menge seinesgleichen heraushebt, ist das stupende Nennen der Dinge beim Namen.

Scharinger redet Klartext, er dreht und windet sich nicht, er sagt, was seiner Ansicht nach gesagt werden muss. Und das wie gesagt aus welterfahrener bodenständiger Bauernschläue heraus. Da schreibt jemand, der - was man bei so vielen Leitenden heute schmerzlich vermisst - mit beiden Beinen fest auf dem Boden steht, sich eine eigene Meinung gebildet hat und sich nicht scheut, die auch zu verkünden. Der genau beobachtet, ganz genau hinschaut und sich von nichts und niemandem ein X für ein U vormachen lässt. Und dessen Kopf nicht von den neuesten Managementideologien vernebelt ist.

Eigenwillig bis eigenständig

Da schreibt einer, der ganz selbstverständlich mithilfe seiner Leute säen und ernten will, der sich nicht scheut, seine Leute dazu vor den Pflug zu spannen und dann hinter ihnen kräftig "Hüh, voran!" zu rufen, der auch mal beherzt mit der Peitsche knallt, der aber ebenso ganz genau weiß, dass man seine "Rösser" oder auch seine unvermeidlichen "Pflugochsen" nicht überstrapazieren darf, dass sie einen behaglichen "Stall", "gutes Futter", anständige Pflege und ihre Zeit zur Erholung brauchen.

Ein eigenwillig-eigenständiges Buch von einem ebensolchen Mann, das im unterschwelligen Nebeneffekt eindrücklich eine der vielleicht bedenklichsten Tatsachen im derzeitigen Management- und Politikgeschehen offenlegt: den fatalen Hang zu Konformismus, Anpassung und Absicherung. Oder, wie es unlängst ein mittelständischer Unternehmer ausdrückte: "Die größte Bedrohung vieler Betriebe sehe ich weniger in dem kontinuierlich be-drängender werdenden Wettbewerb als in der verbreiteten blutleeren Menschenferne und beratergläubigen Profillosigkeit unserer politischen und wirtschaftlichen Führungskräfte." (Hartmut Volk/DER STANDARD; Printausgabe, 15./16.1.2011)