Graz - Das Grazer Schauspielhaus hat den norddeutschen Dramatiker Friedrich Hebbel entdeckt. Zwei Jahre nach dem von Cornelia Crombholz inszenierten Abgesang der Nibelungen bringt Elmar Goerden Judith als elektrisierenden Geschlechterkampf auf die Bühne.

Dafür schrieb Goerden eine Fassung, die den Text verdichtet und aktualisiert. Er reißt den Kern aus Hebbels Drama und schleudert ihn auf das Proszenium, wo ihn ein kleines Team von Akteuren auf engstem Raum zu einem scharfkantigen Stein schleift.

Der Stoff ist aus dem Alten Testament bekannt. Im Auftrag von Nebukadnezar unterwirft dessen Feldherr Holofernes ein Volk nach dem anderen, als letztes die Ebräer, deren Bergfestung Bethulien er aushungern will. Im Streit der Parteien, die über Unterwerfung und Standhaftigkeit diskutieren, geht die schöne Witwe Judith ins Lager der Feinde und tötet den scheinbar unbesiegbaren Feldherrn nach einer Liebesnacht.

Bereits als 26-Jähriger demontierte Hebbel den Mythos von Judith, die sich für ihr Volk opfert. Hebbels Judith ist keine Märtyrerin, sondern eine unabhängige Frau, die sich mit dem grausamen Holofernes messen will. Verena Lercher spielt die widersprüchliche Schöne mit kühler Intensität. Ihre Handlungen lenken eine gestörte Sexualität, das Ringen um eine Botschaft ihres Gottes, ihr Bewusstsein, dass kein Mann ihr ebenbürtig ist und ein Verlangen nach Beachtung.

Aufgeladen mit Begehren ist diese Soldatin Gottes, und mit dem Willen, etwas Besonderes zu sein. Furchtlos reizt sie Holofernes. Ihn stattet Felix Vörtler mit Vitalität und Kraft aus, mit Intelligenz und Zynismus. Zwei gefährliche Charaktere umkreisen einander.

Fesselnder Konflikt

Der Konflikt fesselt wie der Text, den Goerden in drei Schichten aufbaut. Hebbels Prosa verschmilzt gekonnt mit Goerdens Formulierungen. Lakonisch und schlagfertig entlocken sie dem Publikum verblüfftes Lachen.

So wächst das Stück zusammen, eine Beobachtung, die durch die Bühne von Silvia Merlo und Ulf Stengl verstärkt wird. Gespielt wird nur auf dem schmalen Streifen des Proszeniums, der Bühnenbereich dahinter ist von weißen Lamellen unterteilt, in deren Zwischenräumen das Kommen und Gehen und ein etwas Requisite Platz hat. So wenden sich die Akteure stets direkt zum Publikum.

Goerden hat die Anzahl der Figuren halbiert. Er lässt im Moabiterhauptmann Achior Stimmen zusammenfließen, Stefan Suske konturiert den Freund des Holofernes mit Witz als Vermittler zwischen den Kulturen. Judiths Magd Mirza erscheint als naive, aber handfeste Schwester, aus der Pia Luise Händler eine liebevolle Figur erstehen lässt.

Bei einem Festakt fünf Jahre nach der Ermordung des Holofernes - so endet Goerdens Fassung - ist sie die Managerin und PR-Frau ihrer Schwester, die ihren inneren Widerspruch immer weniger aufzulösen vermag.

Großer Beifall. (Beate Frakele, DER STANDARD - Printausgabe, 15./16. Jänner 2011)