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Schleimig? Nicht so gemeint: Christoph Waltz

Foto: APA/dpa/Jens Kalaene

Stellvertretend für "die Österreicher" fühlte sich am Dienstag "Heute" wieder einmal betroffen, und zwar in einer Sache, in der man sich dort auskennt. Unseren Oscar-Gewinner Christoph Waltz brachte das klein auf die Titelseite. Nicht oscarreif? Skandal um Waltz. "Die Österreicher wären ,schleimig', meinte der Filmstar. Und größer ins Blattinnere, denn solches Rühren an die österreichische Seele konnte nicht ungerochen bleiben. Hunderttausende U-Bahn-Leser hatten sich noch nicht den Schlaf aus den Augen gerieben, da wurden sie schon über ihre Gefühle in Kenntnis gesetzt: Aufregung um gemeinen Sager unseres Oscar-Gewinners.

Man muss unserem Oscar-Gewinner zugute halten, dass er diese Aufregung auf dem Umweg über die deutsche "Welt" erzeugt hat, vermutlich in der Hoffnung, im Wiener Untergrund würde das unbemerkt bleiben. Aber nicht mit "Heute"! In dem deutschen Blatt erzählt Waltz, dass er sich in den USA, und speziell in Kalifornien, sehr wohl fühlt. Begründung: Die Art der Menschen in Hollywood sei eben auch so "schleimig" wie die der Österreicher. "Er weiß, dass er es nicht ehrlich meint - ich weiß es auch. Wir einigen uns auf einen Modus, wie wir miteinander umgehen: freundlich. Genau das habe ich in den USA wiedergefunden", versucht Waltz im weiteren Gespräch zu entschärfen.

"Heute" kann sich den Vergleich der Menschen in Hollywood mit Österreichern nur damit erklären, dass unser Oscar-Abräumer in der fiesen Rolle hängen geblieben ist, die er in The Green Hornet spielt. Dabei wollte er nur erklären, warum er sich in Kalifornien sehr wohl fühlt, nämlich wie zu Hause. Doch der freche Waltz-Sager ließ dem Blatt keine Ruhe. "Heute" befragte Top-Psychoanalytikerin, und es konnte selbstverständlich keine andere und Geringere sein als - Rotraud Perner. Die war der ihr gestellten Aufgabe bravourös gewachsen, sie bestätigte am Mittwoch in ihrer ganzen Amtsgewalt als allzeit auf Medienabruf be- reite Top-Psychoanalytikerin: Wir sind nicht "schleimig"!

Das war wichtig, denn es galt, die große Aufregung nach einem Interview unseres Oscar-Gewinners Christoph Waltz, in dem er Österreicher als "schleimig" gezeichnete, zu kalmieren. Also: "Heute" fragte bei einer Expertin nach, und die Schleim-Expertise ließ nichts zu wünschen übrig. Perners eindeutige Antwort: "Wir sind diplomatisch und nicht schleimig. Herr Waltz will sich offenbar bei den Deutschen beliebt machen." Das wäre, zugegeben, äußerst schleimig.

Und unser Oscar-Abräumer wird sich ganz schön anstrengen müssen, sich vom Verdacht der Top-Psychoanalytikerin zu reinigen. Schließlich sagte er in der "Welt" noch: In Wien, wo ich herkomme, ist der Ton wichtiger als der Inhalt. Wogegen in Deutschland eher Tiefe und Ehrlichkeit zählen. In Wien behindert das eher den Informationsaustausch. Deswegen sagt man hier auch leichthin, der Österreicher sei schleimig. Ja, leichthin ist rasch etwas gesagt, aber da tritt der Österreicher hin vor jeden Hollywooder, denkt sich sein Teil und spricht: Ich würde überhaupt nicht sagen, dass er das nicht ist. Aber in Sachen Kommunikation stimmt das nicht. Da macht der Ton die Musik, und nicht etwa deutsche Tiefe und Ehrlichkeit.

Wenn unser Oscar-Preisträger überhaupt nicht sagen würde, dass der Österreicher nicht schleimig sei, dann sieht sich unsere Top-Psychoanalytikerin genötigt zu intervenieren. "Wenn man die diplomatische Begabung der Österreicher unbedingt negativ bewerten will, dann könnte man das sagen", erklärt Berner (sic!). "Deutsche wirken brutaler und oft verletzend in ihrer Ehrlichkeit. Wir Österreicher sind weicher und um Ausgleich bemüht. Das ist vor allem eine positive Eigenschaft der Wiener, Tiroler sind da sicher auch etwas anders." Ob auch etwas anders als die weichen Wiener oder die brutalen Deutschen, blieb leider unaufgelöst, was auch in der teuersten Psychoanalyse passieren kann.

Aber Rotraud Perner wirkt. Die Aussage unseres Oscar-Gewinners Christoph Waltz hat viele Menschen in seiner alten Heimat verärgert. Jetzt rudert der Schauspieler zurück. Wie kolportiert wird, sei die Aussage so nicht gemeint gewesen, Waltz hätte außerdem auch niemanden beleidigen wollen. Schade eigentlich, denn wer solches kolportiert - mag "Heute" auch nicht damit herausrücken - muss kein geringer Schleimer sein. Hauptsache: Klingt nach einer Entschuldigung, die wir Österreicher in unserer "diplomatischen Art" natürlich gerne annehmen. So sind wir! (Günter Traxler, DER STANDARD; Printausgabe, 15./16.1.2011)