Parteien brauchen zwei, drei große Themen, um für die Wähler erkennbar und akzeptabel zu sein. Das Thema des in diesen Tagen flächendeckend gefeierten Bruno Kreisky war in den ersten Jahren seiner 13 Jahre langen Regierungszeit die wirtschaftliche, gesellschaftliche, kulturelle "Modernisierung" , später dann der schuldenbasierte Schutz des kleinen Mannes ("ein paar Milliarden Schulden sind mir lieber als ein paar hunderttausend Arbeitslose ..." ). Die ÖVP bekam erst wieder Boden unter den Füßen (und den Kanzler), als Wolfgang Schüssel einen Reformkurs propagierte (der allerdings gründlich vergrassert war).

Von den heutigen Parteien haben die Faymann-SPÖ und die Strache-FPÖ ein wirksames Thema gefunden, die Grünen ein halbes, das BZÖ und die ÖVP keines.

Strache hat "die Ausländer", mehr braucht er nicht.

Die Grünen haben das halbe Thema "wenigstens sind wir jetzt in Wien an der Regierung beteiligt".

Das BZÖ will "bürgerlich-wirtschaftsliberal" sein/werden, hat aber noch zu viele Strizzis und Freaks aus der alten Partie an Bord.

Faymann hat sich und seine Partei zumindest vorläufig aus der Depression geholt, indem er "Verteilungsgerechtigkeit" sehr erfolgreich zum Thema machte. Unter dem Code "Verteilungsgerechtigkeit" ist die höhere Besteuerung aller jener gemeint, die es im Leben zu etwas gebracht haben bzw. zu etwas bringen wollen; um weiterhin die explodierenden Kosten für privilegierte Gruppen (Stichwort Massenflucht in die "Hacklerfrühpension") weiterfinanzieren zu können. Das begreift ein Teil desPublikums nicht, der andere Teil - hauptsächlich im geschützten Sektor - ist damit eh einverstanden.

Historische Anmerkung: Kreisky musste 1983 das "Mallorca"-Paket schnüren (Besteuerung der Sparbuchzinsen), weil ihm schlicht das Geld ausging. Faymann braucht ein "Mallorca II", weil der Staatszuschuss zu den Pensionen aus dem Ruder läuft.

Die ÖVP hat kein Thema. Sie hat es mit den "Ausländern" versucht, das ging in Wien katastrophal aus. Vor allem hat sie Faymanns "Verteilungsgerechtigkeit" nichts entgegenzusetzen. Ein guter Teil der ÖVP-Klientel (Neugebauers Kohorten) ist sowieso dafür, die eigenen Privilegien mittels einer Besteuerung irgendwelcher "Reichen" weiter aufrecht zu erhalten. Ein anderer Teil, die Bauern, wissen, dass ihre (nicht so tollen) Einkommen zu etwa 60 Prozent öffentlich subventioniert sind und verhalten sich entsprechend. Um die große neue Schicht der (zwangsläufig) Selbstständigen und des Prekariats, die mit am stärksten im täglichen Wettbewerb stehen, kümmert sich die VP nicht (sonst auch niemand).

Zu einer fundierten Hinterfragung der SPÖ-Mythen über "Verteilungsgerechtigkeit" und zu einem Konzept für jene, die sich anstrengen und es im Leben zu etwas bringen wollen, hat es bisher nicht gereicht. "Man muss wissen, wofür die ÖVP überhaupt in der Welt ist" - dieser Aufschrei der Wiener City-Chefin Ursula Stenzel bringt es auf den Punkt. (Hans Rauscher/DER STANDARD-Printausgabe, 15./16.1.2011)