Schlägt auch "fast banale" Integrationsmaßnahmen vor, etwa Änderungen der AMS-Computermasken: Heinz Fassmann.

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Standard: Mit Zuwanderer-Integration verbindet man in Österreich derzeit vor allem das Thema Deutschlernen. Gesetzlich wird es für Einwanderer - Stichwort: Deutsch vor Zuzug - zunehmend zur Bedingung, dem Expertenrat schweben laut seinem Arbeitsprogramm hingegen eher Anreize vor. Wie passt das zusammen?

Heinz Fassmann: Der Expertenrat will bessere Teilhabechancen von Einwanderern in der Gesellschaft erreichen. Deutschlernen gehört da mit dazu. Ich persönlich trete diesbezüglich nicht für Anreize allein ein, sondern für ein klar definiertes System, zu dem auch Pflichten gehören. Und für attraktive Bedingungen, sodass die Pflicht nicht nur als Last empfunden wird.

Standard: Ist es zielführend oder eher eine Last, wenn die Gesetzespläne, mit denen auch die Rotweißrot-Card eingeführt werden soll, Einwanderern rascheres Deutschlernen auf höherem Niveau als bisher zur Bedingung macht?

Fassmann: Gestatten Sie mir eine diplomatische Antwort: Ich will den Expertenrat mit diesen politisch bereits akkordierten Angelegenheiten nicht weiter belasten. Würden wir uns dafür oder dagegen aussprechen - wir hätten gleich am Anfang einiges an Kredit verspielt.

Standard: Muss der Expertenrat derart diplomatisch sein?

Fassmann: Eine gewisse tagespolitische Distanz ist durchaus vernünftig.

Standard: Aber geht damit nicht das Risiko einher, dass Politikern eine differenzierte Expertise geliefert wird - diese aber weiter populistische Maßnahmen setzen?

Fassmann: Ich denke, dass wissenschaftliche Beharrlichkeit reinen Populismus langfristig verhindern kann. Politikberatung ist ein manchmal frustrierendes Geschäft, aber es ist besser, sich einzumischen, als sich abzukoppeln.

Standard: Der Expertenrat wurde von Innenministerin Maria Fekter persönlich einberufen. Inwieweit kann er selbstständig agieren?

Fassmann: Fekter nimmt überhaupt keinen Einfluss. Unsere Aufgabe ist, die im Nationalen Aktionsplan für Integration vorgeschlagenen Maßnahmen einschätzen und zur Serienreife zu bringen. Dafür gewährt uns das Ministerium organisatorische Hilfe, etwa um Einladungen zu verschicken. Auch die Sitzungen finden im Ministerium statt.

Standard: Direkt angerufen und ad hoc um Rat gefragt hat Maria Fekter Sie aber noch nicht?

Fassmann: Nein - doch unvorstellbar ist das nicht.

Standard: In der Zwischenzeit liegt das Arbeitsprogramm des Expertenrats vor. Hier nimmt der Bereich schulische Bildung einen zentralen Raum ein. Was schlagen Sie vor?

Fassmann: Wir sollten über eine neunjährige Pflicht zum Schulbesuch und deren Durchsetzung statt der derzeit in Österreich bestehenden Bildungspflicht diskutieren. Unsere Recherche hat ergeben, dass ein Problem mit Schülern - zugewanderten wie einheimischen - besteht, die die Schule schwänzen. Manchmal nimmt das überhand. Am Ende stehen Jugendliche ohne Schulabschluss, die am Arbeitsmarkt wenig Chancen haben, darunter oft auch Schüler mit Migrationshintergrund.

Standard: Würden Sie so weit wie in Frankreich gehen, wo schon Kinderbeihilfeentzug für die Eltern schulschwänzender Kinder vorgeschlagen wurden?

Fassmann: Nein, das wurde noch nicht diskutiert. Aber dass aus der Schule bei schwänzenden Kindern daheim angerufen wird, kann durchaus zur Regel werden.

Standard: Konkrete Vorschläge haben Sie auch für bessere berufliche Integration von Einwanderern. Worum geht es?

Fassmann: Es ist fast banal, aber uns wurde berichtet, dass die Maske, in die AMS-Mitarbeiter auf ihrem Bildschirm die Qualifikationen von Zugewanderten auf Jobsuche eintragen, verändert werden müsste. Derzeit können dort ausländische Qualifikationen nicht korrekt erfasst werden. Diese Maßnahme wäre noch dazu ziemlich billig.

Standard: Wo steht Österreich in Sachen Integration insgesamt?

Fassmann: Auf einer Skala von null - sehr schlecht - bis vier - sehr gut - würde ich uns, was das Integrationsklima angeht, die Note zwei minus geben. (Irene Brickner, DER STANDARD-Printausgabe, 15.1.2011)

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